Halbe Brüder

Julius (Paul "Sido" Würdig), ein braver Familienvater mit Hang zum Trickbetrug, der wohlbehütete Yasin (Fahri Yardim) und der vorlaute Hobby-Rapper Addi (Tedros "Teddy" Teclebrhan) könnten unterschiedlicher nicht sein. Doch als sie sich bei einem Notar treffen, erfahren sie, dass sie mehr gemeinsam haben, als ihnen lieb sein dürfte. Denn die Drei sind Halbbrüder, deren gemeinsame Mutter kürzlich verstorben ist. Um an ihr Erbe zu kommen, müssten sie sich gemeinsam auf eine Art Schnitzeljagd begeben – besonders für Julius ist das eine wahre Horrorvorstellung. Doch sind seine Geldsorgen so enorm, dass er dem Roadtrip zustimmt, der die ungleichen Männer von Berlin über Frankfurt und Köln bis auf die Insel Fehmarn führen wird. Dabei geraten sie von einer turbulenten Situation in die Nächste und bringen nicht nur ihre noch frische Familienbande, sondern auch das Erbe und sogar ihr Leben in echte Gefahr…

Es steht außer Frage, dass Christian Alvart ein sehr talentierter und vielseitiger Regisseur ist. Sein international gefeierter Thriller "Antikörper", seine enorm erfolgreichen Til Schweiger-"Tatort" Episoden, seine Hollywood-Produktion "Fall 39", der SciFi-Thriller "Pandorum" oder zuletzt der gelungene Ausflug in die 60er mit "Banklady", Alvart hat selbst bei schwachen Drehbüchern ein gutes Händchen für Atmosphäre, Spannung und tolle Bilder bewiesen. Mit "Halbe Brüder" wagt sich Alvart nun erstmals an eine Komödie der besonders turbulenten Art. Handwerklich ist der Film über jeden Zweifel erhaben. Die gute Kameraarbeit, die schnellen Schnitte und der zielgruppengerechte Soundtrack lassen die Komödie in fast jeder Szene wie einen großen Kinofilm wirken – was für eine deutsche Produktion keine Selbstverständlichkeit ist.

Nicht ganz so überzeugend dagegen ist das Drehbuch von Doron Wisotzky ("Schlussmacher"), das sich zu oft auf tiefergelegte Gags verlässt und aus der witzigen Ausgangsidee zu wenig herausholt. Der Humor ist dabei in vielen Fällen äußerst gewöhnungsbedürftig. Der nur fauchende Gauner im Hasenkostüm dürfte dabei das Publikum ebenso spalten, wie die etwas anstrengende und nur begrenzt witzige Art von Tedros "Teddy" Teclebrhan. Sicherlich, der Schauspieler und Comedian hat eine stetig wachsende Fangemeinde. Doch sein Humor ist schon sehr speziell und kann für einige Zuschauer schnell extrem nervig werden. Fahri Yardim, der schon mehrfach bewiesen hat, dass er sowohl lustig sein, als auch schauspielern kann, verkauft sich in vielen Szenen deutlich unter Wert, was aber auch der eher eindimensionalen Charakterzeichnung im Drehbuch geschuldet ist. Einen durchweg positiven Eindruck kann dagegen Rapper Sido hinterlassen, der nicht nur schauspielerisches Talent offenbart, sondern seine Rolle durch echte Sympathiewerte regelrecht interessant machen kann.

Wer zotigen Hau-Drauf-Humor, der sich oftmals in unteren Körperregionen abspielt, mag und wer über den sehr eigenen Stil von Tedros "Teddy" Teclebrhan herzhaft lachen kann, der wird an "Halbe Brüder" bestimmt viel Spaß haben. Wer sich dagegen eine Komödie mit Niveau erhofft hat und wer für eine gelungene Komödie mehr braucht, als eine gelungene visuelle Umsetzung und einige amüsante Gastauftritte, den könnte dieser Roadtrip durch Deutschland nah an den Rand der Verzweiflung treiben. Deshalb gibt es unterm Strich auch nur ein: mit Einschränkungen sehenswert!

Ein Artikel von Sebastian Betzold