The Homesman

In den kargen Weiten des Wilden Westens von Nebraska versucht sich Mary Bee Cuddy (Hilary Swank) in der Mitte des 19. Jahrhunderts als alleinstehende Frau zu behaupten. Ihr kleines Stück Land wirft genug für ein ordentliches Leben ab, das allerdings kein Mann mit ihr teilen möchte. Dennoch lässt sich Mary nicht die Hoffnung auf eine glückliche Zukunft nehmen. Bis dahin steht sie selbst ihren Mann. Und so ist es auch sie, die sich bereit erklärt, drei Farmersfrauen (Grace Gummer, Miranda Otto und Sonja Richter), die ihren Verstand verloren haben, zu einer Methodistengemeinde in den Osten zu geleiten, wo die Frauen die notwendige Pflege bekommen können. Bei dem schweren Weg soll sie der Gesetzlose Briggs (Tommy Lee Jones), den Mary vor dem Galgen gerettet hat, begleiten und für ihre Sicherheit garantieren. Das ist auch nötig, denn auf der Reise warten allerhand Gefahren wie Stürme, Hunger, andere Siedler und Indianer auf die Frauen. Obwohl Mary und Briggs immer wieder aneinander geraten, erkennt sie bald, dass er unter seiner ungehobelten Schale ein wirklich guter Mensch ist – eine Erkenntnis, die sie eine schwerwiegende Entscheidung treffen lässt…

Mit "The Homesman" liefert Tommy Lee Jones nach "Three Burials – Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada" seine zweite Regiearbeit ab. Sein sehr ungewöhnlicher Western fasziniert mit tollen Bildern von Kameramann Rodrigo Prieto ("Brokeback Mountain") und einem starken Darstellerensemble, bei dem selbst kleine Nebenrollen mit Stars wie Meryl Streep, James Spader oder John Lithgow erstklassig besetzt sind. Doch der Film gehört vier starken Frauen, angeführt von einer großartigen Hilary Swank. Die zweifache Oscar-Gewinnerin trägt mit ihrem eher zurückgenommenen Spiel als von der Härte des Lebens gezeichnete Pionierfrau das oftmals sehr ruhige Geschehen über weite Strecken ganz alleine. Tommy Lee Jones stellt als rauer Haudegen mit losem Mundwerk das perfekte Gegengewicht zu der gottesfürchtigen, etwas verhärmten Mary dar. Das ist insofern wichtig, da der starke Kontrast zwischen den beiden Figuren für einige sehr amüsante, auflockernde Momente sorgt, durch die der von einer enormen Schwere dominierte Rest des Films erträglich gemacht wird.

Denn die Geschichte, die in "The Homesman" erzählt wird, ist verdammt harter Tobak. Das Schicksal der drei Frauen, die Mary in den Osten bringen soll, geht einem wirklich an die Nieren. Das Spiel von Meryl Streeps Tochter Grace Gummer, Miranda Otto ("Herr der Ringe") und der Dänin Sonja Richter ist in seiner Intensität oft schwer zu ertragen. Da tut es einfach extrem gut, zwischendurch auch mal etwas durchatmen oder sogar Lachen zu dürfen. So lässt sich dann auch die wirklich überraschende Wendung im letzten Akt ertragen, welche die Emotionen der Zuschauer noch einmal ganz kräftig nach unten zieht.

"The Homesman" ist keine leichte Kinounterhaltung. Doch Tommy Lee Jones zeigt, dass man auch schwere, sperrige Stoffe auf eine Art unterhaltsam präsentieren kann, dass sie nichts von ihrer eigentlichen Kraft und Bedeutung einbüßen, gleichzeitig aber auch einem etwas breiteren Publikum zugänglich sind. Das macht diesen Western zwar noch lange nicht zu einem Mainstream-Produkt. Aber es sorgt immerhin dafür, dass eben nicht nur das Programmkino-Publikum angesprochen wird. Wer kraftvolle Filme über menschliche Grenzerfahrungen schätzt, großartig gefilmtes Schauspielerkino mag und sich auch von schwierigen Stoffen nicht abschrecken lässt, der sollte sich diese Geschichte über gebrochenen Pioniergeist und die dunkle Seite des amerikanischen Traums nicht entgehen lassen. Sehenswert!

Ein Artikel von Sebastian Betzold