Schloss aus Glas

Jeanette (Brie Larson) führt ein gutes Leben: Sie hat Geld, eine schöne Wohnung in New York und einen erfolgreichen Verlobten (Max Greenfield), der sie auf Händen trägt. Doch das war nicht immer so. In ihrer Kindheit und Jugend mussten Jeanette und ihre Geschwister immer wieder umziehen und sie lebten in ständiger Armut. Ihr Vater Rex (Woody Harrelson) wollte seinen Kindern, ganz besonders aber Jeanette, ein Leben voller Abenteuer bieten. Doch seine Alkoholsucht und seine Wutausbrüche machen die Situation für die Kinder immer schwerer. Auch ihre Mutter (Naomi Watts), eine eigenwillige Künstlerin, kann nicht für stabile Familienverhältnisse sorgen. Doch mit all dem hat Jeanette längst abgeschlossen. Zumindest so lange, bis sie ihre Eltern in New York wiedertrifft, wo diese in einem heruntergekommenen Gebäude hausen. Nun ist die junge Frau gezwungen, sich wieder mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen – mit unerwarteten Folgen für ihr neues Leben…  

"Schloss aus Glas" ist die Verfilmung des gleichnamigen, autobiografischen Bestsellers von Jeanette Wallis. Regisseur Destin Daniel Cretton hat aus der Vorlage ein bewegendes Familiendrama mit einigen sehr eindringlichen Szenen geschaffen. Allerdings reichen diese nicht aus, um mehr als zwei Stunden Laufzeit zu rechtfertigen. Es gibt zu viele Momente, in denen sich das Geschehen lediglich zu wiederholen scheint. Der Zuschauer hat längst verstanden, worauf der Film hinaus will, was solche Szenen dann komplett unnötig macht und nur zu störenden Längen führt. Hier hätte die Schere gerne etwas öfter angesetzt werden können.

Schauspielerisch ist das Ganze über jeden Zweifel erhaben. Besonders Woody Harrelson und Brie Larson sind wirklich großartig. Doch auch sie können die Schwächen der Inszenierung nur bedingt überspielen. Und dann ist da noch die Kernaussage der Geschichte, an der man sich durchaus stören darf: Rex und Rose sind keine guten Eltern. Wenn Rose ihre Tochter derart vernachlässigt, dass sich diese schwere Verbrennungen zuführt oder Rex das Geld, das er eigentlich dafür ausgeben soll, seinen Kindern etwas zum Essen zu kaufen, versäuft, dann kann man nur allzu gut verstehen, warum die Kinder so schnell wie möglich in ihr eigenes Leben entfliehen wollen. Dass letztendlich aber alles vergeben ist und ja doch nicht so schlimm war, weil Rex seinen Kindern ja auch auf die harte Tour Selbstständigkeit gelehrt hat und ihr Leben zu einem großen Abenteuer gemacht hat, ist doch eine etwas fragwürdige Botschaft. Zudem ist das Ende dadurch nicht nur arg konventionell, sondern auch arg vorhersehbar geraten.

Das ändert freilich wenig daran, dass "Schloss aus Glas" einige sehr intensive Momente bietet, die einem als Zuschauer zu Herzen gehen, die aufwühlen oder zu Tränen rühren. Diese starken Augenblicke kombiniert mit den guten Darstellern und einer sehr schönen Kameraarbeit machen aus der Buchverfilmung trotz deutlicher Schwächen ein unterhaltsames, mitreißendes Drama, das vielleicht etwas straffer hätte erzählt werden können und dem ein etwas weniger versöhnlicher Schluss garantiert gut getan hätte. Und – auch das muss hier erwähnt werden  - ein besser geschnittener Trailer wäre auch gut gewesen, denn in dem Clip wird eigentlich der ganze Film erzählt. Wer den Trailer gesehen hat, sollte also keine Überraschungen erwarten! Alles in allem aber gilt: Wer anrührende Familiengeschichten mag, der wird hier auf jeden Fall gut bedient. Sehenswert!

Ein Artikel von Sebastian Betzold