Wer ist Hanna?

Die Rolle der jungen Briony Tallis in der Bestsellerverfilmung "Abbitte" von Joe Wright brachte der damals 13jährigen Saoirse Ronan 2007gleich mehrere Preise und Nominierungen, u.a. für den Oscar, den BAFTA Award und den Golden Globe, ein. Kein Wunder also, dass sich Wright auf für seinen neuesten Film wieder dazu entschlossen hat, erneut mit Ronan zusammenzuarbeiten, die sich in "Wer ist Hanna?" auch als Actionheldin beweisen darf.

Seit Jahren lebt Hanna (Saorise Ronan) mit ihrem Vater (Eric Bana) in der abgeschiedenen Wildnis Finnlands. Hier hat Hanna nicht nur verschiedene Sprachen, sondern auch Kampf- und Überlebenstechniken gelernt. Doch Eines weiß Hanna nicht: wer sie wirklich ist. Als sie sich bereit fühlt, aus ihrer Isolation auszubrechen, schickt sie ihr Vater, ein ehemaliger CIA-Agent, auf eine Mission, die Hanna quer durch Europa bis nach Berlin führt. Verfolgt wird sie von Marissa (Cate Blanchett), der ehemaligen Chefin von Hannas Vater, sowie dem Killer Isaacs (Tom Hollander), die unbedingt verhindern wollen, dass Hanna mehr über ihre Vergangenheit erfährt. Doch je mehr sich das Mädchen und ihre Verfolger nähern, desto mehr lernt Hanna über ihre Herkunft und stößt dabei auf eine schockierende Wahrheit...

Mit "Wer ist Hanna?" begibt sich Joe Wright nach Dramen wie "Stolz und Vorurteil", "Abbitte" oder "Der Solist" auf bislang unbekanntes Terrain. Sein neuestes Werk ist eine Mischung aus Drama, Thriller, Action und Mystery, vermischt Elemente aus Filmen wie "Nikita", "Die Bourne Identität" oder "Salt" mit Versatzstücken aus TV-Serien wie "Akte X" oder "Alias". Das Ganze mutet hier und da schon etwas überfrachtet und unausgegoren an. Während einzelne Versatzstücke hervorragend funktionieren, wollen am Ende nicht alle Puzzelteile auch richtig passen. Nichtsdestotrotz ist Joe Wrights Actionthriller auf jeden Fall ein guter Film geworden.

Denn die positiven Aspekte triumphieren eindeutig über die Schwächen. An erster stelle steht dabei die überzeugende Leistung von Saoirse (sprich: Sier-shä) Ronan. Sowohl in den Actionsequenzen, aber auch in den Szenen, in denen Hanna auf ihrer Reise durch Europa Dinge des einfachen Teenagerlebens lernt, liefert Ronan ("In meinem Himmel") eine großartige Leistung ab, die beweist, dass ihre Oscar-Nominierung von 2007 nicht unverdient gewesen ist. Aber auch die herrlich überzogene Darstellung von Tom Hollander ("Pirates of the Caribbean 2 + 3") als pfeifender Killer mit sehr eigenwilligen modischem Geschmack, die schlagkräftige Leistung von Eric Bana und das eiskalte Spiel von Cate Blanchett tragen erheblich zum Gelingen des Films bei.

Die gerade zum Ende hin immer stärker eingesetzte Symbolik, die ethischen Fragen, die der Film am Ende aufwirft und die vielen eher ruhigen Momente sorgen dafür, dass "Wer ist Hanna?" nicht unbedingt massenkompatibel ist. Zwar können die zahlreichen Actionsequenzen, darunter ein wirklich großartiger Kampf zwischen Eric Bana und einigen Angreifern in einer Berliner U-Bahnstation, mit Sicherheit bei allen Freunden des Popcorn-Kinos großen Gefallen finden. Doch an den anderen Aspekten des Films könnten sich Freunde der leichteren Mainstreamunterhaltung eher stören, was den Film allerdings nicht weniger sehenswert macht. Wer hier einen Kracher wie "Salt" erwartet, wird mit Sicherheit enttäuscht. Wer aber einen originellen Actionfilm mit geschickt platzierten Mystery-Elementen, guten Darstellern und einer nicht uninteressanten Botschaft sucht, der sollte unbedingt der Frage nachgehen, wer Hanna wirklich ist. Sehenswert!

Ein Artikel von Sebastian Betzold