Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Originaltitel: | Le tout nouveau Testament |
Genre: | Komödie |
Regie: | Jaco Van Dormael |
Kinostart: | 03.12.2015 |
Produktionsland: | Belgien/Frankreich/Luxembourg 2015 |
Laufzeit: | ca. 115 Min. |
FSK: | ab 12 Jahren |
Webseite: | www.dasbrandneuetestament-derfilm.de |
Es gibt ihn tatsächlich! Gott existiert. Und er lebt nicht etwa im Himmel auf einer Wolke. Nein, er schaut aus einer tristen Hochhauswohnung in Brüssel auf uns herab, wo Gott (Benoit Poelvoorde) mit seiner Frau (Yolande Moreau) und seiner Tochter Éa (Pili Groyne) lebt. Die meiste Zeit des Tages sitzt Gott an seinem Computer und denkt über neue Gebote nach, mit denen er seine Schäfchen in den Wahnsinn treiben kann. Und wenn die Langeweile einmal ganz besonders groß ist, muss eben eine Naturkatastrophe oder ein neuer Krieg her. Irgendwann hat Éa die Nase voll von den Launen ihres Vaters, die er auch an ihr auslässt. Sie hackt sich in Gottes Computer ein und lässt alle Menschen das Datum ihres Todes wissen. Das hat drastische Folgen für den Blick der Menschen auf ihr Leben, ihren Glauben und ihre Konflikte. Während sich Èa in dem Chaos das erste Mal in ihrem Leben aus der Wohnung schleicht, um auf der Erde nach sechs weiteren Aposteln zu suchen, versucht ihr zorniger Vater, wieder seine ursprüngliche Ordnung herzustellen. Doch dafür muss auch er sich unter die Menschen begeben…
Darf man über Religion lachen? Eine Frage, die derzeit leider nur allzu aktuell und enorm brisant ist. Doch "Das Brandneue Testament" zeigt, wie man es macht: Der Film verbindet Originalität, pechschwarzen Humor und Poesie zu einem wunderbaren Ganzen, das den Zuschauer nicht nur über Religion lachen lässt, sondern auch zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den Weltreligionen anregt. Dabei wird der Glaube der Menschen nicht verspottet, sondern vielmehr dessen Missbrauch. Sicherlich, wer generell ein Problem damit hat, über Religion lachen zu können und für wen Filme wie "Das Leben des Brian" oder "Dogma" reine Blasphemie sind, der wird wohl auch mit dieser fantasievollen Satire ein Problem haben. Wer aber in dieser Hinsicht etwas aufgeschlossener ist, hintersinnigen Humor und verspielte Bildsprache mag, der bekommt einen wirklich wunderbaren, im wahrsten Sinne des Wortes göttlich amüsanten Film geboten.
Alleine die Szenen, die zeigen, wie unterschiedlich die Menschen mit dem Wissen umgehen, wann sie sterben werden, sind einfach großartig. Es gibt da besonders eine Nebenfigur, die zum Running Gag des Films wird. Mehr soll hier natürlich nicht verraten werden, doch wann immer dieser Charakter auftaucht, bleibt kein Auge trocken. Versprochen! Die sechs neuen Apostel und ihr Umgang mit der Erkenntnis ihrer Sterblichkeit werden episodenhaft beleuchtet. Hier funktionieren nicht alle diese Einzelteile gleichermaßen gut. Es gibt wundervolle Momente, die ans Herz gehen. Es gibt lustige Momente, die dem Zuschauer ein Lächeln aufs Gesicht zaubern. Aber es gibt auch arg überzogene Momente, in denen etwas weniger wirklich mehr gewesen wäre.
Auch könnte man Regisseur Jaco Van Dormael durchaus vorwerfen, dass er sich bei einigen seiner Ideen recht offensichtlich bei anderen Kollegen bedient hat. Doch trotz einiger schwacher Szenen, einiger kleiner Längen und einiger offensichtlich geklauter Einfälle ist der Film insgesamt in all seinen Aspekten derart gelungen, dass die Schwächen dadurch völlig in den Hintergrund gedrängt werden. Man kann sich hier in den fantasievollen Bildern verlieren, in der offensichtlichen Liebe zum Leben schwelgen und sich dem entwaffnenden, bittersüßen Humor ergeben. Und am Ende wird klar, dass "Das Brandneue Testament" mit all dem eine wirklich bedeutende Botschaft vermittelt: Es ist völlig egal, ob oder an wen oder was wir glauben – wir haben auf unserer Erde nur dieses eine Leben. Und das sollten wir nicht mit Hass, Gier oder Vorurteilen verschwenden, sondern in jedem Augenblick genießen. Und Genuss pur bietet dieser ungewöhnliche wie wunderbare Film auf jeden Fall. Dafür gibt es ein ganz klares: Absolut sehenswert!!!
Ein Artikel von Sebastian Betzold