Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Genre: | Drama, Komödie |
Regie: | Caroline Link |
Kinostart: | 27.12.2018 |
Produktionsland: | Deutschland 2018 |
Laufzeit: | ca. 100 Min |
FSK: | ab 6 Jahren |
Webseite: | www.facebook.com/WarnerBrosGermany/ |
Anfang der 1970er Jahre wächst der 9jährige Hans-Peter (Julius Weckauf) mit seiner Familie im Ruhrpott auf. Obwohl nicht immer alles rosig ist, hat der Junge ein sehr fröhliches Gemüt entwickelt. Er schafft es immer wieder, seine Verwandtschaft, aber ganz besonders seine Mutter (Luise Heyer) zum Lachen zu bringen. Als seine Mutter durch die Folgen einer Operation immer depressiver wird, sieht es Hans-Peter als seine Aufgabe, für seine Mama noch witziger und fröhlicher zu sein, um ihr auch in dieser schweren Zeit ein Lächeln schenken zu können. Er ahnt nicht, dass er damit den Grundstein für seine spätere Karriere legt, die ihn einmal zu einen der größten Entertainer Deutschlands machen wird…
"Der Junge muss an die frische Luft" erzählt ein wichtiges Kapitel aus der Kindheit von Hape Kerkeling, einem der beliebtesten Komiker Deutschlands. Oscar-Gewinnerin Caroline Link ("Nirgendwo in Afrika") hat den gleichnamigen Bestseller sensibel und äußerst effektiv für die Leinwand adaptiert. Gerade bezüglich der Freiheiten, die sie sich dabei genommen hat, aber auch hinsichtlich des wohl traurigsten Teils der Geschichte hat sie sich eng mit Kerkeling abgesprochen, der sich aber ansonsten nicht in die Produktion eingemischt hat. Er wusste seine Geschichte bei Link in guten Händen – und mit dieser Einstellung liegt er auch goldrichtig.
Denn die preisgekrönte Filmemacherin schafft es sehr gut, die frühen 1970er authentisch aufleben zu lassen, wobei Ausstattung, Musik und Mode fast nie mit der sonst üblichen "Schaut her, so lustig waren die 70er"-Penetranz eingesetzt werden, sondern eher durch Zurückhaltung ein stimmungsvolles 70er Gefühl aufbauen. Lediglich in einer Szene fängt die Kamera etwas zu offensichtlich eine typische Siebziger-Kuriosität ein. In diesem atmosphärischen Setting entfaltet sich eine Geschichte, die Caroline Link mit einer ausgewogenen Mischung aus Humor und Drama erzählt.
Die Freiheiten, die sie sich dabei nimmt, sind gerade in einer Szene allzu offensichtlich. Denn dass Hape Kerkeling schon als Knirps bei einer Schulaufführung seine spätere Kultfigur Horst Schlämmer erfunden hat, entspricht natürlich nicht der Wahrheit – passt aber im filmischen Kontext der Geschichte einfach zu gut. Wodurch der Film aber richtig gut funktioniert, ist der Umgang mit dem Freitod von Kerkelings Mutter. Hier hat Link ein Feingefühl an den Tag gelegt, das nicht nur den Protagonisten ihres Films bzw. deren echten Vorbildern Respekt zollt, sondern auch für eine kraftvolle Emotionalität fernab jeder Form von Kitsch sorgt. So amüsant der biografische Film an manchen Stellen auch sein mag, hier rührt er wirklich zu Tränen.
Das ist auch Verdienst von Schauspielerin Luise Heyer und ihrem jungen Kollegen Julius Weckauf, der sich als echter Glücksgriff erweist. Der Junge ist einfach großartig und kann sowohl als geborener Entertainer mit Schalk im Nacken überzeugen, als auch in Szenen, die von ihm zum Teil auch eine sehr subtile Traurigkeit verlangen. Schauspieler, Regie, Musik und Ausstattung – all das macht "Der Junge muss an die frische Luft" zu wunderbarem Wohlfühl-Kino zum Lachen und zum Weinen. Ein schöner Film, der dem Geist der Vorlage mehr als gerecht wird. Absolut sehenswert!
Ein Artikel von Sebastian Betzold