Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Originaltitel: | The young and prodigious T.S. Spivet |
Genre: | Komödie, Tragikomödie, Drama |
Regie: | Jean-Pierre Jeunet |
Kinostart: | 10.07.2014 |
Produktionsland: | Frankreich/Kanada 2013 |
Laufzeit: | ca. 105 Min. |
FSK: | ab 0 Jahren |
Webseite: | www.kartemeinertraeume.de/ |
Der zehnjährige T.S. Spivet (Kyle Catlett) lebt mit seiner Familie auf einer Ranch im Nirgendwo von Montana. Während seine Schwester Gracie (Niamh Wilson) vom Leben in der Großstadt und der Teilnahme an einem Schönheitswettbewerb träumt, sich seine Mutter Dr. Clair (Helena Bonham Carter) in erster Linie mit Insekten beschäftigt und er auch zu seinem wortkargen Vater (Callum Keith Rennie), einem waschechten Cowboy, keine echte Bindung herstellen kann, bleibt T.S. nur, sich in seine eigene Welt zu flüchten. Und in der macht der hochbegabte Junge derart geniale Erfindungen, dass ihn eines Tages sogar das berühmte Smithsonian Museum nach Washington D.C. einlädt, um ihm einen Preis zu verleihen. Heimlich macht sich der Junge auf den weiten Weg in die Hauptstadt und erlebt dabei ein aufregendes Abenteuer nach dem anderen. Doch vor dem dunklen Geheimnis, das er mit sich herumträgt, kann er auch auf seiner Reise quer durch die USA nicht davonlaufen…
Die Filme von Jean-Pierre Jeunet zeichnen sich immer doch eine ganz besondere Bildsprache und eine visuelle Verspieltheit aus. Aber auch die schönsten und fantasievollsten Bilder machen bekanntlich noch lange keinen guten Film. Zum Glück ist der französische Filmemacher auch als Geschichtenerzähler ein wahrer Künstler. Jeunet versteht es erstklassig, kleine Dinge ganz groß wirken zu lassen und auch in den dunklen Ecken seiner Geschichten wahre Schönheit zu entdecken. Das wird auch bei seinem zweiten englischsprachigen Film nach "Alien – Die Wiedergeburt" auf beeindruckende und faszinierende Art deutlich. Die Verfilmung von Reif Larsens Bestseller "Die Karte meiner Träume", gleichzeitig Jeunets erster 3D-Film, ist ein fantasievoller, humorvoller, gleichzeitig trauriger, wunderschöner und herrlich schrulliger Road-Trip durch die USA, der auf visueller wie erzählerischer Ebene ganz großes Kino bietet.
Gedreht wurde vorrangig in Kanada, wo Jeunet einige ganz großartige Landschaftsaufnahmen eingefangen hat, die in der 3D Version eine Tiefe aufzeigen, in der man sich als Zuschauer regelrecht verlieren kann. Neben diesen wunderschönen Bildern sorgt auch die Art, auf die Jeunet die sehr spezielle Gedankenwelt von T.S. Spivet visualisiert, dafür, dass der Film zu einem Fest fürs Auge wird und gleichzeitig immer wieder wunderbar skurrile Einfälle bietet, über die man eben nicht nur staunen, sondern auch lachen kann. Dadurch entsteht ein angenehmes Gegengewicht zu den sehr traurigen Aspekten der Geschichte. Denn nicht nur durch seine Leidenschaft für die Wissenschaft, sondern auch durch das Geheimnis, das seit viel zu langer Zeit auf seinem gewissen lastet, ist T.S. auch innerhalb seiner Familie sehr einsam. Und das sorgt eben auch immer wieder für sehr bewegende Momente, in denen so manchem Zuschauer durchaus auch mal die eine oder andere Träne ins Auge schießen könnte.
Besonders die Szene, in der T.S. bei der Preisverleihung in Washington der Welt sein tragisches Geheimnis offenbart, ist ein echter Gänsehautmoment, was dem perfekten Zusammenspiel aus Jeunets Inszenierung, der wunderbaren Musik von Denis Sanacore und dem hervorragenden Spiel von Newcomer Kyle Catlett zu verdanken ist. Gerade hier offenbart der Film eine weitere Stärke Jeunets: so sehr er auch ein visueller Regisseur sein mag, er lässt die Bilder niemals die Leistungen den Schauspieler in den Hintergrund drängen. Vielmehr setzt er auf eine ausgeglichene Symbiose, die sich auch in "Die Karte meiner Träume" voll und ganz auszahlt.
Dieser wundervolle Film erinnert daran, wofür das Kino eigentlich gemacht ist. Hier werden weder die Spezialeffekte, noch die 3D Optik einfach nur dazu genutzt, um die Sinne des Publikums zu bombardieren, sondern sie sind ein wichtiger Bestandteil einer einfach schönen Geschichte, die gleichsam zum Lachen, Schluchzen und zum Träumen einlädt. Wer also großes Kino für alle Sinne erleben möchte und außergewöhnliche Geschichten liebt, der sollte sich unbedingt mit T.S. auf die Reise nach Washington begeben. Absolut sehenswert!
Ein Artikel von Sebastian Betzold