Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Originaltitel: | Il Capitale Umano |
Genre: | Drama |
Regie: | Paolo Virzi |
Kinostart: | 08.01.2015 |
Produktionsland: | Italien/Frankreich 2013 |
Laufzeit: | ca. 110 Min. |
FSK: | ab 12 Jahren |
Webseite: | www.movienetfilm.de |
Der Schein ist perfekt – doch er trügt: als die junge Serena (Matilde Gioli) eine Liaison mit Massimiliano, dem Sohn der wohlhabenden und einflussreichen Bernaschis beginnt, sind alle Beteiligten von Glück beseelt. Giovanni (Fabrizio Gifuni) und Carla Bernaschi (Valeria Bruni Tedeschi) sind von der selbstbewussten jungen Frau äußerst angetan. Und ihr Vater Dino (Fabrizio Bentivoglio), ein kleiner Immobilienmakler, sieht in der Beziehung die Möglichkeit, neue, wichtige Kontakte für seine finanzielle Zukunft zu knüpfen. Doch hinter der Fassade sieht es ganz anders aus. Die Beziehung zwischen Serena und Massimiliano ist nicht das, was sie zu sein scheint. Carla ist nicht der glückliche Sonnenschein, den sie nach außen hin gibt, sondern eine gelangweilte Frau mit der Sehnsucht nach Selbstverwirklichung. Und die finanzielle Sicherheit, die Dino vorgibt zu haben, um in einen lukrativen Deal von Giovanni einsteigen zu können, gibt es auch nicht. Langsam beginnt das aus Lügen, Betrug und Habgier aufgebaute Kartenhaus zu wackeln, bevor ein tragischer Unfall es vollständig zum Einsturz zu bringen droht…
Aus drei verschiedenen Blickwinkeln zeichnet Regisseur Paolo Virzi die Ereignisse nach, die zu dem Unfall und dessen Folgen führen. Doch "Die süsse Gier" wechselt nicht nur mehrfach die Perspektive, aus der die Geschichte erzählt wird. Auch der Ton ändert sich immer wieder. So entsteht eine bittere, zynische Gesellschaftssatire, die mal locker-humorvoll und dann wieder düster-tragisch daher kommt. Es gelingt Virzi sehr gut, immer wieder der Erwartungshaltung der Zuschauer entgegen zu wirken, die Geschichte in eine neue Richtung zu lenken und auch scheinbar unwichtigen Details im Nachhinein eine wichtige Bedeutung zuteilwerden zu lassen. So entsteht ein überraschendes, mitreißendes und kurzweiliges Gesamtbild, das seinen wahren Charakter lange unter der Fassade einer scheinbar unaufgeregten und zurückhaltenden Inszenierung versteckt.
Wie böse die Geschichte um Reichtum und Macht eigentlich ist, offenbart sich erst wirklich nach der finalen Szene und der darauf folgenden Schrifteinblendung, die auch den Originaltitel ("Il Capitale Umano", also das menschliche Kapital) sehr gut erklärt. Auch wenn schon zahlreiche Momente davor für sich genommen stark, amüsant oder aufwühlend waren, so regt eigentlich erst das sich am Ende zusammenfügende Gesamtbild richtig zum Nachdenken an, was auch nach dem Abspann so schnell nicht aufhört.
Getragen von einem absolut überzeugenden Darstellerensemble bietet "Die süsse Gier" hintergründige Unterhaltung für Liebhaber des europäischen Arthauskinos. Dabei zeigt Paolo Virzi perfekt, dass sich auch anspruchsvolles Kino auf leichte Art präsentieren lässt und dass sich intelligent konstruierte Geschichten mit Tiefgang und Unterhaltung nicht zwangsläufig ausschließen müssen. Ein großes Vergnügen, dessen kompromissloses Ende leider etwas zu nah an der Realität ist, als es einem lieb sein kann. Nicht unbedingt Stoff für die Multiplexe, aber erstklassige Programmkinokost, für die es ein verdientes "absolut sehenswert" gibt!
Ein Artikel von Sebastian Betzold