Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Genre: | Komödie |
Regie: | Wolfgang Becker |
Kinostart: | 17.09.2015 |
Produktionsland: | Deutschland/Belgien 2015 |
Laufzeit: | ca. 123 Min |
FSK: | ab 6 Jahren |
Webseite: | www.facebook.com/IchUndKaminski |
Eigentlich interessiert sich der Kunstjournalist Sebastian Zöllner (Daniel Brühl) nicht wirklich für Kunst. Im Grunde interessiert er sich für überhaupt nichts, außer für sich selbst. Ein erfolgreiches Buch zu schreiben, das würde sein übergroßes Ego angenehm streicheln. Und womit könnte sich mehr Aufmerksamkeit in der Kunstszene erregen lassen, als mit einer Enthüllungs-Biografie über den Maler Manuel Kaminski. Obwohl er bei Vielen in Vergessenheit geraten ist, gilt der Schüler von Matisse und Freund von Picasso zu den letzten großen Vertretern der Klassischen Moderne. Zöllner will den alten Mann in seinem abgelegenen Zuhause in den Alpen besuchen und herausfinden, warum er sich vor der Öffentlichkeit versteckt und ob er tatsächlich blind ist. Wenn er ihn als Scharlatan entlarven könnte, wäre ihm ein Bestseller sicher. Doch es erweist sich als extrem schwierig, an Kaminski heran zu kommen. Und alles es ihm mit Bestechung und List doch gelingt, muss er feststellen, dass der alte Mann mit allen Wassern gewachsen ist und selbst ein Sebastian Zöllner ihm nicht wirklich gewachsen ist…
Zwölf Jahre nach dem großen Erfolg von "Good Bye, Lenin!" haben sich Regisseur Wolfgang Becker und Hauptdarsteller Daniel Brühl wieder zusammengetan. In der Verfilmung von Daniel Kehlmanns Roman "Ich und Kaminski" beweisen sie schon nach wenigen Minuten, dass sie noch immer ein echtes Dream-Team sind. Eine visuell wunderbare Inszenierung, angereichert mit viel ironischem Humor und bissigen Dialogen, in Verbindung mit Daniel Brühls herrlich selbstverliebten Spiel, macht von Anfang an einfach richtig gute Laune. Wenn dann auch noch die Welt der schönen Künste mit extrem satirischen Seitenhieben dekonstruiert wird, ist der Spaß perfekt. Es ist immer schön, wenn Lachmuskeln und Intellekt gleichermaßen beansprucht werden – und das ist hier eindeutig der Fall.
In der zweiten Hälfte wandelt sich der Film zu einem klassischen Road Movie, bei dem sich Brühl und der großartige Jesper Christensen gekonnt die Bälle zuspielen. Becker dirigiert die Beiden mit absoluter Präzision durch die gegenseitigen Manipulationen, die zu einem überraschenden Ausgang führen. Was ist Wahrheit, was ist Lüge, was ist Kunst und was ist Blendung, was ist Blindheit und was Verdrängung? Auch wenn es gerade im letzten Drittel des Films einige etwas zähe Momente gibt, so ist die Geschichte mit ihren verschiedenen Facetten doch stark genug, um den Zuschauer stets bei Laune zu halten. Dass der Biss, der gerade die Figur des Sebastian Zöllner zu Beginn so wunderbar ekelhaft macht, zum Ende ein wenig nachlässt, ist zwar auf der einen Seite schade, andererseits aber auch konsequent.
Man ist am Ende geneigt, aufgrund des extrem starken Anfangs ein wenig enttäuscht zu sein. Doch bei genauerer Überlegung ist das Ende für die Geschichte absolut passend. Der dramaturgische Bogen, die Entwicklung der Charaktere und die Beziehung zwischen dem zynischen Kunstkritiker und dem hinterlistigen Künstler ergeben ein absolut stimmiges Gesamtbild, das kleinere Schwächen schnell vergessen macht. So ist Wolfgang Becker insgesamt eine sehr hintersinnige Komödie gelungen, die dank seiner leichtfüßigen, dabei aber auch tiefgründigen Inszenierung, der gut gelaunten Darsteller und der großartigen visuellen Umsetzung besonders – aber nicht ausschließlich – Liebhabern deutschsprachiger Arthaus-Komödien wärmstens ans Herz gelegt werden kann. Absolut sehenswert!
Ein Artikel von Sebastian Betzold