Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Originaltitel: | Interstellar |
Genre: | Sci-Fi, Drama, Abenteuer |
Regie: | Christopher Nolan |
Kinostart: | 06.11.2014 |
Produktionsland: | USA 2014 |
Laufzeit: | ca. 169 Min. |
FSK: | ab 12 Jahren |
Webseite: | www.Interstellar-derFilm.de |
Christopher Nolan hat mit seinem neuesten Film "Interstellar" wieder ganz großes Kino inszeniert. Für mich als Kino-Fan ist das jüngste Kind vom "Inception"- und "Dark Knight"-Regisseur ein wahres Fest. Für mich als Kino-Kritiker dagegen erweist sich das Werk dagegen als echte Herausforderung. Denn wie soll man über einen Film schreiben, der dann am intensivsten wirkt, wenn die Zuschauer im Vorfeld so wenig wie möglich über die Handlung und die im Film behandelten Themen wissen? Kleinere Spoiler lassen sich allen Bemühungen zum Trotz leider nicht vermeiden, es sei denn, ich würde die Kritik an dieser Stelle bereits beenden. Doch werden die bedeutenden Wendungen hier natürlich nicht verraten und manche Aspekte der Geschichte nur in Andeutungen bewertet.
"Interstellar" spielt in einer nicht allzu fernen Zukunft, in der die natürlichen Ressourcen der Erde erschöpft sind und der Mensch seiner drohenden Ausrottung entgegen blickt. Der ehemalige Pilot Cooper (Matthew McConaughey) versucht nach dem Tod seiner Frau als Farmer seinen beiden Kindern Murph (Mackenzie Foy) und Tom (Timothée Chalamet) noch so etwas wie einen Hauch von Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu vermitteln. Doch er muss erkennen, dass diese Hoffnung unbegründet ist. Deshalb schließt er sich einem äußerst riskanten und streng geheimen Forschungsprojekt der NASA an, bei dem auf der anderen Seite eines Wurmlochs nach einer neuen Heimat für die Menschheit gesucht werden soll. Es ist eine Reise ins Ungewisse, die einige wenige Jahre oder Jahrzehnte dauern könnte. Im schlimmsten Fall würde Cooper nicht auf die Erde zurückkehren und seine Kinder nie wieder sehen. Doch so lange es eine Chance gibt, dass die Menschheit fortbestehen kann und Murph und Tom eine Zukunft haben, ist er bereit, dieses Risiko einzugehen. Doch was ihn jenseits unserer Galaxie erwartet, läuft gegen all seine Erwartungen…
Das ist in groben Zügen die Ausgangssituation von "Interstellar", die etwa in den ersten 45 Minuten der knapp 3 Stunden Laufzeit aufgebaut wird. In diesem Teil des Films setzt Nolan auch verstärkt auf eine Mischung aus wissenschaftlich verbürgter Realitätsnähe und sehr menschlicher Emotionalität. Mit einer gewohnt faszinierenden Bildsprache und einem sehr sphärischem Soundtrack von Hans Zimmer, der hier verstärkt auf Orgel-Klänge setzt, schafft Nolan eine ganz besondere Atmosphäre, der man sich nur schwer entziehen kann. Und auch wenn schon hier vermutet werden kann, dass die Vater-Tochter Geschichte ein wenig ins Kitschige abzudriften droht, so bleibt im ersten Drittel kein Zweifel daran, dass Nolan hier ein weiteres Meisterwerk geschaffen hat.
Dieser Eindruck verstärkt sich noch, sobald Cooper und seine Forschungscrew das Wurmloch durchqueren. Die Bilder, die Nolan und sein Team hier auf die Leinwand gebracht haben, sind schlichtweg faszinierend und man möchte sich in diesem Ausflug in eine fremde Galaxie regelrecht verlieren. Doch auch wenn sich die Handlung zurück auf die Erde verlagert und de inzwischen erwachsenen Kindern von Cooper, dargestellt von Jessica Chastain und Casey Affleck, folgt, bleiben die Geschichte und ihre visuelle Umsetzung packend, bewegend und faszinierend. Allerdings fällt es hier schon immer schwerer, den wissenschaftlichen Erklärungen zu folgen. Spätestens jetzt sollte man sich als Zuschauer einfach von der emotionalen Seite der Geschichte tragen lassen und den Rest nicht zu sehr hinterfragen. Denn das könnte den weiteren Genuss an "Interstellar" deutlich schmälern.
Denn mehr und mehr wird deutlich, dass Liebe das zentrale Thema des Films ist. Sicherlich, es gibt einige tolle Spezialeffekte, einige extrem spannende und auch actionreiche Momente und viel wissenschaftliches Gebrabbel. Doch im Endeffekt dreht sich alles nur um Liebe, wobei die von Cooper zu seinen Kindern und ganz besonders zu Murph natürlich im Vordergrund steht. Nolan nimmt sich daher auch viel Zeit für ruhige, emotionale Momente, die im starken Kontrast zum Action-Overkill von "The Dark Knight Rises" stehen. Im Finale droht das Ganze dann ein wenig übers Ziel hinauszuschießen und Zuschauer, die viel Action erwartet haben und für die Gefühlskino der blanke Horror ist, dürften am letzten Akt nur wenig Gefallen finden. Wer sich aber auf das, was Nolan hier erzählen möchte, einlässt und sich auch emotional fallen lässt, der wird wahrscheinlich wie ich von diesem Film am Ende sehr ergriffen sein.
Sicherlich, "Interstellar" ist kein perfekter Film. Bisweilen ist die Musik etwas zu aufdringlich abgemischt, zum Ende kommen auch kleine Längen auf und die Mischung aus ergreifendem Gefühlskino und dem für Nolan üblichen Anspruch einer gewissen Verankerung in der Realität funktioniert gerade im letzten Drittel nur bedingt. Dennoch ist der Film gleich auf verschiedenen Ebenen ganz großes Kino. Visuell ist "Interstellar" ein Meisterwerk, das unbedingt auf der großen Leinwand erlebt werden muss. Die Geschichte ist einfach sehr, sehr schön und die Darsteller ganz hervorragend. Der Film leidet am Ende eigentlich nur unter der Erwartungshaltung der Zuschauer, da Viele von Nolan nach "Inception" oder "Dark Knight" nicht weniger als einen weiteren bahnbrechenden Meilenstein des modernen Kinos erwartet haben. Und so großartig "Interstellar" auch ist, ein solcher Meilenstein ist das Werk eben nicht geworden. Daher gilt: wer seine Erwartungen ein wenig herunterschraubt und sich auf Gefühlskino einstellen und vor allem einlassen kann, der bekommt hier eines der eindrucksvollsten Kinoerlebnisse des Jahres geboten. Absolut sehenswert!!!
Ein Artikel von Sebastian Betzold