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John Irving und wie er die Welt sieht

John Irving und wie er die Welt sieht

Deutschland 2012 - mit John Irving ...

Filminfo

Genre:Dokumentarfilm
Regie:André Schäfer
Kinostart:01.03.2012
Produktionsland:Deutschland 2012
Laufzeit:ca. 96 Min.
FSK:ab 0 Jahren
Webseite:www.irving.wfilm.de

Mit Romanen wie "Garp und wie er die Welt sah", "Das Hotel New Hampshire" oder "Gottes Werk und Teufels Beitrag" hat sich John Irving zu einem der bedeutendsten Vertreter der amerikanischen Gegenwartsliteratur etabliert. Seine Werke stecken voller skurriler Figuren, hintergründigem Humor und verschiedenen Handlungsebenen, in denen man sich nur allzu gerne verliert. Doch wie entstehen die zum Teil extrem komplexen Bücher, wie kommt Irving auf seine recht ausgefallenen Ideen und welche Menschen oder Orte inspirieren ihn zu seiner Arbeit? Rechtzeitig zum 70. Geburtstag des Schriftstellers geht Filmemacher André Schäfer diesen und anderen Fragen in seiner Dokumentation "John Irving und wie er die Welt sieht" auf den Grund. 

Dabei besucht Schäfer Irving nicht nur zu Hause oder auf einer kleinen Insel auf dem Lake Huron, die seit Jahrzehnten im Besitz der Familie seiner Frau ist und für ihn einen perfekten Rückzugsort zum Schreiben darstellt. Er begleitet ihn auch auf einer Promotiontour für sein neuestes Buch "Ine one Person" und reist an verschiedene Orte, die für die Romanwelt von John Irving von Bedeutung waren. So trifft er sich etwa im Rotlichtviertel von Amsterdam mit dem ehemaligen Polizisten Joep De Groot, der Irving bei den Recherchen zu "Witwe für ein Jahr" und später für "Bis ich dich finde" geholfen hat und der ihn dort auch mit einigen Prostituierten und dem Tätowierer Henk bekannt gemacht hat, die sich dann auch als Figuren in den Büchern wiederfinden. Gleiches gilt auch für Bedienstete eines Sanatoriums in Zürich oder der Belegschaft eines Restaurants, in dem Irving für Recherchezwecke für "Letzte Nacht in Twisted River" gearbeitet hat. 

So führt die Dokumentation von Toronto über die USA bis nach Österreich und schließlich nach Köln, wo Irving vor 900 begeisterten Zuhörern eine Lesung gibt. Dabei offenbart er, dass ihm der öffentliche Teil seiner Arbeit, als jede Form von Promotion, nicht wirklich Spaß macht und dass er nur den Entstehungsprozess seiner Bücher wirklich liebt. Und eben diesen Entstehungsprozess macht der Film anhand einiger sehr aufschlussreicher Interviews dann auch greifbar. So verrät Irving etwa, dass er oft Teile seiner eigenen Biografie auf seine Romanfiguren überträgt, das Drumherum dann aber komplett abändert, so dass zwar ein gewisser persönlicher Bezug, aber kein autobiografisches Abbild seines Lebens hergestellt wird. Er erzählt, warum er erste Entwürfe gerne mit der Hand schreibt, welche Verbindung er zwischen dem Ringen – einer Sportart, die er selber zwanzig Jahre lang ausgeübt hat – und dem Schreiben sieht, warum er stets auf einem Drehstuhl sitzt, wenn er an seinen Büchern arbeitet und wie sich seine Sicht auf seine Arbeit von seiner Sicht aufs Leben unterscheidet. 

Irving erweist sich dabei als äußerst einnehmender Erzähler. Ihm bei seinen Ausführungen zu lauschen, ist besonders, aber nicht nur für Kenner seiner Arbeit wirklich spannend. Und wenn er dann auch noch für die Filmcrew seine Kochkünste unter Beweis stellt und immer wieder seine rudimentären Deutschkenntnisse, die er während seiner Studienzeit in Wien erlangt hat, einfließen lässt, wirkt er zudem auch richtig sympathisch. Interessant ist, dass Schäfers Film einen an sich sehr intimen Blick auf das Schaffen des Schriftstellers wirft, dabei aber sein Privatleben in den meisten Momenten keine Rolle spielt. Nur wenn Irving erzählt, dass er erst mit der Geburt seines Sohnes Colin gelernt hat, was es bedeutet, Angst zu haben, Angst davor, sein Kind nicht immer beschützen zu können und dass ihm eben jene Angst ihm erst ein Thema für das Schreiben geliefert hat, tritt auch der Privatmensch John Irving stärker in den Fokus der Dokumentation. Und diesem Aspekt gehören dann auch die letzten Minuten, in denen Irving über seinen leiblichen Vater spricht, den er nie hat kennen gelernt. Es ist ein sehr emotionaler Moment, der gleichzeitig aber auch einen sehr schönen Abschluss für eine rundum gelungene Dokumentation darstellt. 

Wer also wissen möchte, wie John Irving die Welt sieht, wie ein Schriftsteller seines Formats auf seine Ideen kommt, wie seine Arbeit vom echten Leben beeinflusst werden, wobei sein Schreiben aber natürlich auch sein Leben prägt, oder wer einfach eine unterhaltsame, mal amüsante, mal bewegende und einfach informative Dokumentation über den Prozess des Schreibens und Recherchierens sehen möchte, der sollte sich "John Irving und wie er die Welt sieht" nicht entgehen lassen. Absolut empfehlenswert!

Ein Artikel von Sebastian Betzold

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