Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Genre: | Drama |
Regie: | Dietrich Brüggemann |
Kinostart: | 20.03.2014 |
Produktionsland: | Deutschland 2013 |
Laufzeit: | ca. 110 Min. |
FSK: | ab 12 Jahren |
Webseite: | www.kreuzweg-derfilm.de/ |
Die 14jährige Maria (Lea van Acken) wächst in einem streng katholischen Umfeld auf. Die Priesterbruderschaft, der ihre Familie angehört, lehnt alles Moderne ab und will die kirchlichen Traditionen unverfälscht fortführen. Besonders Marias Mutter (Franziska Weisz) ist sehr darum bemüht, ihre Tochter von allen sündigen Versuchen der modernen Umwelt fernzuhalten. Dabei lässt sie keine Gelegenheit aus, um ihre Tochter zurechtzuweisen, sobald diese wieder einmal in ihren Augen etwas falsch gemacht hat. Um den hohen Ansprüchen ihres Pfarrers und ihrer Mutter gerecht zu werden, will Maria ihr Leben für Jesus opfern. Dabei folgt sie dem Kreuzweg Jesu. Nur Christian (Moritz Knapp) aus ihrer Parallelklasse lässt das Mädchen immer wieder daran zweifeln, dass der Weg, den sie eingeschlagen hat, tatsächlich der Richtige ist…
Mit "Kreuzweg" schlagen die Geschwister Dietrich und Anna Brüggemann nach ihren gemeinsamen Drehbucharbeiten "Renn, wenn du kannst" und "3 Zimmer/Küche/Bad" ganz neue Töne an. Waren diese Filme eher leichte Komödien mit einem leichten dramatischen Touch, ist der Leidensweg der jungen Maria wirklich schwere Kost. Dabei ist der Film nicht nur dramaturgisch sehr bedrückend. Auch die Inszenierung verlangt dem Zuschauer einiges ab. Den einzelnen Stationen des Leidenswegs von Jesus folgend ist "Kreuzweg" in vierzehn Kapitel unterteilt, die jeweils in einer festen Einstellung gefilmt wurden. In Zeiten, in denen viele Filmemacher auf unruhige Handkamera und schnelle Schnitte setzten, mutet das etwas befremdlich an. Aber genau durch diese Starre kann eine sehr bedrückende Atmosphäre entstehen, in der die Zuschauer hilflos mitansehen müssen, wie Maria mehr und mehr dem Abgrund entgegen gleitet.
Wie das Kind hier von ihrem Pfarrer mit dessen schonbarer Gutmütigkeit, von ihrer herrischen Mutter und ihrem stets schweigenden Vater derart unter psychischen Druck gesetzt wird, ist äußerst schmerzhaft mit anzusehen. Da die bewegungslosen Einstellungen keinerlei Ablenkung bieten und den Zuschauer regelrecht dazu zwingen, sich diesen Leidensweg vollständig auszusetzen, wird "Kreuzweg" zu einer derart intensiven Erfahrung. Das, was man hier sieht, kann man auch nach dem Abspann nicht so einfach abschütteln. Was Regisseur Dietrich Brüggemann hier aus seinen Darstellern herausgeholt hat, ist äußerst beeindruckend. Gerade die vierzehnjährige Lea van Acken spielt mit einer umwerfenden Natürlichkeit, die man so gerade bei jungen Darstellern nur sehr selten sieht. Großes Lob gebührt auch Franziska Weisz für ihren Mut, eine Mutter zu spielen, die man als Zuschauer einfach nur hassen kann. Ihr Spiel ist derart intensiv, dass sie mit ihren Worten und Blicken immer wieder direkt in die Magengrube der Zuschauer schlägt.
Es ist den Geschwistern Brüggemann hoch anzurechnen, dass ihr Drehbuch nicht zu einer pauschalisierenden Kirchenkritik ausartet. Es wäre ein leichtes gewesen, hier in eine generelle Ablehnung von Religion auszuufern. Doch das geschieht nicht. Vielmehr geht es hier um die Folgen eines religiösen Fundamentalismus, der gerade in den letzten Jahren in ganz verschiedenen Glaubensrichtungen merklich zugenommen hat. Der Film hinterfragt auf subtile Art auch die Gründe, aus denen sich immer mehr Menschen in der heutigen Zeit in Religion flüchten und dort Halt suchen. Dass genau diese Sehnsucht danach, aufgefangen zu werden, von radikalen Kräften ausgenutzt wird, macht diesen Film sehr aktuell und auch äußerst wichtig.
"Kreuzweg" ist ein Drama, das wütend macht, das viele wichtige Fragen stellt, ohne für sich in Anspruch zu nehmen, die Antworten darauf zu kennen. Es ist ein Film, der sich mit den negativen Seiten von Religionen auseinandersetzt, ohne den Glauben an sich zu verdammen. Es ist ein hervorragend gespieltes, intensives und dadurch auch sehr anstrengendes Drama, das sich Liebhaber von forderndem deutschem Arthaus-Kino nicht entgehen lassen sollten. Sehenswert!
Ein Artikel von Sebastian Betzold