Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Originaltitel: | Red Army |
Genre: | Dokumentarfilm |
Regie: | Gabe Polsky |
Kinostart: | 29.01.2015 |
Produktionsland: | USA/Russland 2014 |
Laufzeit: | ca. 85 Min. |
FSK: | ab 0 Jahren |
Webseite: | www.redarmy.weltkino.de |
Die Eishockey-Nationalmannschaft der Sowjetunion galt einst als unschlagbar. Selbst Größen wie die Teams aus Kanada und den USA waren den Spielern des ZSKA, dem Eishockey-Club der Roten Armee, gnadenlos unterlegen. Das war das Ergebnis eines extrem harten Trainings, das nur ein Ziel kannte: den Westen zu demütigen und die Überlegenheit des sozialistischen Systems zu demonstrieren. Einer der besten Spieler der Nationalmannschaft war Kapitän Slawa Fetissow, dessen Stärke auch den Verantwortlichen der amerikanischen NHL nicht verborgen blieb. Im Zuge der Perestroika war dann auch Fetissow einer der ersten sowjetischen Eishockey-Spieler, die mit der Aussicht auf Freiheit und Wohlstand in die USA gelockt wurde. Doch dieser Erfolg hatte auch enorme Schattenseiten. In seiner Heimat wurde Fetissow als Verräter und politischer Feind angesehen und in den USA wurde ihm auch nur Ablehnung und regelrechter Hass entgegen gebracht. Die Tatsache, dass sich sein Stil nicht in die Spielart der Amerikaner integrieren wollte, machte die Situation nicht gerade einfacher. Dennoch kommen immer mehr Spieler aus der Sowjetunion in die USA – und plötzlich scheint sich das Blatt zu wenden und die Stimmung umzuschlagen…
Mit "Red Army – Legenden auf dem Eis" hat der amerikanische Regisseur Gabe Polsky, Sohn russischer Einwanderer, eine sehr vielschichtige Dokumentation inszeniert. Auf den ersten Blick könnte man meinen, es sei eine reine Sportdokumentation, in der die Geschichte des sowjetischen Eishockey-Teams nachgezeichnet werden soll. Aber Polsky, für den der Film auch eine Möglichkeit darstellte, seine eigene Herkunft zu erkunden, nutzt diesen Rahmen sehr gut, um ein sehr viel weitläufigeres Bild der politischen und Gesellschaftlichen Geschichte der Sowjetunion zu zeichnen. Gleichzeitig funktioniert die von Werner Herzog koproduzierte Dokumentation auch als Zeugnis für Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit in den USA.
Der Film ist zudem ein hervorragendes Beispiel für den ewigen Kampf zwischen Kapitalismus und Kommunismus. Und es ist die mitreißende Biografie eines Mannes, der vom strahlenden Held zum geächteten Landesverräter wird, nur um dann als Sportminister wieder mit offenen Armen aufgenommen zu werden. Dieser Mann ist Slawa Fetissow, der in sehr offenen Interviews Einblick in sein nicht immer einfaches Leben gewährt. Dabei ist insbesondere interessant, wie sich seine Wirkung auf den Zuschauer im Verlauf des Films ändert. Sein Gebaren wirkt zu Beginn äußerst unangenehm und arrogant. Doch je mehr man über ihn, seine mitunter sehr mutigen Karriereentscheidungen und deren Folgen erfährt, desto mehr wandelt sich die Ablehnung in Respekt. Und auch wenn Fetissow am Ende nicht der ganz große Sympathieträger sein mag, so erkennt man in ihm doch einen Menschen, vor dem man in vielerlei Hinsicht den Hut ziehen muss.
Auch wenn der Film mit der Instrumentalisierung des Sports als Mittel zur Propaganda, den mitunter extremen Trainingsmethoden und der Ideologie, die dahinter steckt, hart ins Gericht geht, sollte der Film auf keinen Fall als Anti-Russland-Propaganda verstanden werden. Dafür ist die Kritik, die Polsky durch diverse Archivaufnahmen und Interviews übt, zu ausgewogen. Das zeigt sich besonders gut in dem Verhalten der amerikanischen Fans und Journalisten auf die Aufnahme von Spielern aus der Sowjetunion in die NHL. Diesen schlagen in ihrer neuen Heimat antiquierte Vorurteile, erniedrigende Beleidigungen und spürbarer Hass entgegen. Doch in dem Moment, in dem sie für Siege sorgen, schlägt der Hass von einem Moment auf den anderen in Bewunderung, Begeisterung und Liebe um. Diese an Oberflächlichkeit kaum zu überbietende Verlogenheit, die sich in einem solchen Verhalten offenbart, kann nicht gerade als Liebensbekundung an die USA angesehen werden. Es ist wichtig, dass Poslky auch an dieser Seite Kritik übt, damit sein Film ausgewogen und glaubwürdig erscheint.
"Red Army – Legenden auf dem Eis" ist ein extrem interessanter und spannender Film, dessen Geschichte sich auch sehr gut in die Gegenwart übertragen lässt. Es ist ein unterhaltsames wie entlarvendes Werk, das den Zuschauern in seiner recht knappen Laufzeit mit einer Fülle an zeitgeschichtlichen Informationen versorgt und zudem noch einige faszinierende Einblicke in die Welt des internationalen Eishockeys offenbart. Dafür gibt es ein ganz klares: Absolut sehenswert!
Ein Artikel von Sebastian Betzold