Film: Eigentlich sollte der Film "Rohtenburg", der lose auf den Ereignissen rund um den "Kannibalen von Rotenburg" Armin Meiwes basierende Film von Martin Weisz ("The Hills have Eyes II"), bereits im Frühjahr 2006 in unsere Kinos kommen. Doch dann schaffte es Meiwes, dass der Film in Deutschland per einstweiliger Verfügung verboten wurde. Dieses Verbot ist 2009 vom Bundesgerichtshof wieder aufgehoben worden, weshalb der Film nun doch noch (kurzzeitig) den Weg in unsere Kinos und jetzt auch auf DVD gefunden hat.
Die Kriminalpsychologiestudentin Katie Armstrong (Keri Russel) hat sich für ihre Abschlußarbeit ein ganz besonderes Thema ausgesucht: den Fall Oliver Hartwin (Thomas Kretschmann), der mit einem ganz besonders grausamen Verbrechen ganz Deutschland in Aufruhr versetzt hat. Hartwin hatte sein Opfer Simon Grombeck (Thomas Huber) über das Internet kennen gelernt und mit seinem Einverständnis den jungen Mann getötet und danach verspeist. Katie reist in die Heimat Hartwins, in der Hoffnung, verstehen zu lernen, wie ein Mensch zu einem derart abscheulichen Verbrechen fähig sein kann. Je mehr sie über Hartwin und sein Leben lernt, desto tiefer dringt sie in die Psyche des Mörders vor. Doch all das bereitet sie nicht auf das vor, was ihr eines Tages über eine anonyme Quelle zugespielt wird…
"Rohtenburg" ist zum Glück längst nicht so reißerisch, wie die Thematik befürchten lässt. Regisseur Weisz legt einen nicht unbedeutenden Akzent seiner Geschichte auf Kindheit und Jugend von Oliver Hartwin, in der ein imaginärer Freund und sein Verhältnis zu seiner dominanten Mutter eine große Rolle gespielt haben. Zwar wird auch die Tötung Simon Grombecks gezeigt und der darauf folgende kannibalistische Akt angedeutet, doch das eigentliche Grauen spielt sich in erster Linie in den Köpfen der Zuschauer ab. Ob das alleine genügt, um zu rechtfertigen, dass diese Geschichte unbedingt erzählt werden muss, sei dahin gestellt. Doch zumindest wird das Ganze nicht – man möge mir dieses etwas geschmacklose Wortspiel verzeihen – unnötig ausgeschlachtet, um aus "Rohtenburg" einen Slasher in Tradition der "SAW"- und "Hostel"-Filme zu machen. Das ist Weisz hoch anzurechnen.
Und dennoch: ein wirklich guter Film ist "Rohtenburg" nicht geworden. Die Geschichte um Hartwin und die Recherchen von Katie scheinen zwei völlig unterschiedliche Filme zu sein, wobei sich der gesamte Handlungsstrang um die junge Studentin im Endeffekt als völlig unnötig erweist. Hier wäre es besser gewesen, den Hauptaugenmerk auf Hartwin zu legen und vielleicht noch etwas tiefer in die Psyche seines Opfers einzudringen. Denn diese Figur ist mindestens genauso interessant, wie die des Mörders, und wird zudem von Thomas Huber, der besonders "Lindenstrassen"-Fans bekannt sein dürfte, hervorragend gespielt. Hier ist schlicht und ergreifend Potential verschenkt worden, was zur Folge hat, dass "Rohtenburg" sich mit vielen unnötigen Längen herumschlagen muss, die den Zuschauer immer wieder aus dem eigentlichen Geschehen heraus reißen. Mag sein, dass dies auch die Absicht des Regisseurs gewesen ist, um die Zuschauer mit der düsteren Atmosphäre nicht zu überfordern. Doch leider stellt sich statt Erholung nur Langeweile ein, was selbst die guten Darsteller nicht wieder gut machen können.
Auch bei der visuellen Umsetzung gibt es einige Punktabzüge. Weisz scheint sich gerade bei den Rückblenden nicht ganz für eine Stilform nicht hat entscheiden können. Sind die Bilder aus der Kindheit des Mörders zunächst wie auf altem Filmmaterial präsentiert, beendet Weisz dieses Stilmittel von einer Szene auf die Nächste ohne nachvollziehbare Gründe. Das ist nicht wirklich tragisch oder störend, es zeigt einfach nur, dass hier versucht wurde, visuell und inhaltlich zu viel in einen Film zu packen. Weniger ist eben manchmal einfach mehr!
An dieser Stelle sollte aber auf jeden Fall noch Thomas Kretschmanns Leistung positiv erwähnt werden, der die gestörte Psyche Hartwins glaubhaft und zum Glück überhaupt nicht überzogen darstellt. Bleibt am Ende also nur die Erkenntnis, dass "Rohtenburg" trotz vieler guter Aspekte unterm Strich enttäuscht. Ob es diesen Film überhaupt hätte geben müssen und ob Herr Meiwes mit seiner einstweiligen Verfügung den deutschen Kinogängern nicht vielleicht sogar einen Gefallen getan hat, das muss Jeder für sich selbst entscheiden. So oder so hat der Film als Psychogramm eines Mörders und seines nicht weniger gestörten Opfers durchaus Potential und sehr eindringliche Momente. Leider wurde dieses Potential zu Gunsten der unnötigen Nebenhandlung verschenkt. Daher gilt: aus rein handwerklicher Sicht mit Abstrichen gerade noch sehenswert.
Bild + Ton: Da zum Test nicht das finale Produkt vorlag, können über den technischen Aspekt der DVD keine Angaben gemacht werden.
Extras: Auch das Bonusmaterial kann nicht beurteilt werden. Geboten werden interessierten Zuschauern B-Roll Aufnahmen und ein Interview mit Hauptdarsteller Thomas Kretschmann.
Fazit: "Rohtenburg" hat gute Ansätze, enttäuscht unterm Strich aber, nicht zuletzt aufgrund der unnötigen Nebenhandlung.
Regie: Martin Weisz
Länge: ca. 88 Min.
FSK: Keine Jugendfreigabe
Anzahl der Discs: 1
Sprachen: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch
Bildformat: 16:9 (1.77:1)
Extras. B-Roll, Interview
Ländercode: 2
Label: Universum Film
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Ein Artikel von Sebastian Betzold