Dass selbst einem klassischem Sujet wie dem Vampir-Genre durchaus noch neue Seiten abgewonnen werden können, hat der 2004 erschienene Roman "So finster die Nacht" des schwedischen Autors John Ajvide Lindqvist eindrucksvoll bewiesen. Auch die kongeniale Verfilmung von Tomas Alfredson, zu der John Ajvide Lindqvist selbst das Drehbuch verfasst hat, kann mit Fug und Recht als eine willkommene Bereicherung in der Welt der cineastischen Blutsauger angesehen werden.
Erzählt wird die Geschichte des 12jährigen Oskar (Kåre Hedebrandt) der mit seiner Mutter in einem grauen Häuserblock des Stockholmer Vorortes Blackenberg lebt. Oskar ist ein typischer Einzelgänger, der von einigen seiner Mitschüler regelmäßig gedemütigt und übelst schikaniert wird. Immer mehr zieht sich der Junge in seine eigene, einsame Welt zurück, die von Rachegedanken gegen seine Peiniger dominiert wird. Doch dann lernt Oskar die gleichaltrige Eli (Lina Leandersson) kenne, die gemeinsam mit ihrem Vater in die Nachbarswohnung gezogen ist. Obwohl Oskar schnell merkt, dass mit dem blassen Mädchen, das sich nur Nachts draußen zeigt und anscheinend völlig unempfindlich gegenüber der beißenden Kälte ist, ganz offensichtlich etwas nicht stimmt, fühlt er sich zu Eli hingezogen.
Langsam entwickelt sich zwischen den Beiden eine Freundschaft, die Oskar Halt und neues Selbstvertrauen gibt. Als er erfährt, dass Eli ein Vampir ist und dass sie für einige brutale Todesfälle in Blackenberg verantwortlich ist, müsste er sich eigentlich vor ihr in Sicherheit bringen. Schließlich könnte er ihr nächstes Opfer sein.
In unterkühlten, beinahe schon deprimierenden Farben gehalten, erzählt der Film eine ergreifende Geschichte über Freundschaft und das Ende der Kindheit. Das große Kunststück, das sowohl im Buch, als auch im Film erstklassig funktioniert, ist, dass die gelegentlich eingestreuten Horrorelemente in dem an sich sehr sensiblen Rahmen nicht völlig deplaziert wirken. Der harte Kontrast zwischen den stillen, sensiblen Momenten und den schon sehr blutigen Szenen stört den Lauf des Filmes nicht, sondern verleiht ihm das besondere Etwas, das "So finster die Nacht" so besonders macht.
Mit sehr guten, natürlich wirkenden Darstellern (lediglich die deutsche Synchronstimme von Oskar wirkt etwas störend), einer erstklassigen Kameraarbeit und einer faszinierenden psychologischen Tiefe fesselt das Vampir-Drama trotz des sehr gemächlichen Tempos von der ersten, bis zur letzten Minute. Untermalt mit einem wundervollen, ebenfalls eher Genre-untypischen Soundtrack hat Alfredson einen vielschichtigen Coming-of-Age Horrorfilm geschaffen, der das Genre Arthaus-kompatibel macht.
Doch darin liegt auch das einzige Problem, dass dieser Film mit sich bringt: um ein breiteres Publikum anzusprechen, was "So finster die Nacht" mehr als verdient hätte, fehlt es der Inszenierung schlichtweg an einer deutlichen Zielgruppendefinition. Für Kinder und Jugendliche ist der Film aufgrund seiner Gewaltszenen und auch seiner stillen Inszenierung wenig geeignet. Auch wenn gerade der wichtige Aspekt des Mobbing unter Schülern in Jugendfilmen viel zu selten thematisiert wird (und schon gar nicht so schonungslos realistisch, wie hier) weshalb der Film gerade für Jugendliche zwischen 14 und 18 absolutes Pflichtprogramm sein sollte. Für Fans des härteren Horrors gibt es zu wenig und für sensible Arthaus-Freunde zu viel Blut. Bleibt eine kleine Gruppe irgendwo dazwischen, die anspruchsvolle Filme ebenso zu schätzen weiß, wie auch Horror und sensible Jugendfilme. Das mag jetzt etwas verwirrend und abschreckend klingen, aber dieser Schein trügt. "So finster die Nacht" ist ein wunderbarer Film, der beweist, dass intelligenter Horror für Erwachsene durchaus möglich ist. Daher gilt: absolut sehenswert!
Originaltitel: Låt den rätte komma in
Regie: Tomas Alfredson
Länge: ca. 110 Min.
FSK: ab 16 Jahren
Ein Artikel von Sebastian Betzold