Stillwater – Gegen jeden Verdacht

Immer wieder reist der Bohrarbeiter Bill Baker (Matt Damon) aus Stillwater, Oklahoma, nach Marseille, um seine Tochter Allison (Abigail Breslin) zu besuchen. Diese wurde während ihres Auslandsstudiums beschuldigt, ihre Freundin ermordet zu haben. Seit der Verurteilung sitzt sie in Marseille im Gefängnis, immer noch hoffend, dass ihre Unschuld bewiesen werden kann. Als es neue Hinweise gibt, die Allison entlasten könnten, ihre Anwältin sich aber weigert, den Fall neu aufzurollen, versucht es der wortkarge Amerikaner selbst, die Beweise zu sammeln, die seine Tochter aus dem Gefängnis holen könnten. Die vorhandene Sprachbarriere und die kulturellen Gegensätze machen diese Aufgabe aber schier unmöglich. Doch dann bekommt Bill unerwartete Hilfe von der Französin Virginie (Camille Cottin). Als er zu ihr und ihrer kleinen Tochter mit der Zeit eine enge Beziehung aufbaut, scheint sich zumindest für Bill alles zum Guten zu wenden. Doch dann führt der Zufall dazu, dass er eine folgenschwere Entscheidung treffen muss…

"Stillwater" ist die neueste Regiearbeit von Tom McCarthy nach seinem zweifach Oscar-prämierten Drama "Spotlight". Inspiriert von dem Fall um Amanda Knox, der weltweit für Schlagzeilen gesorgt hat, erzählt McCarthy von den verzweifelten Versuchen eines Vaters, seine entfremdete Tochter aus dem Gefängnis zu befreien. Im Trailer sah das ein wenig danach aus, als würde das Ganze in Richtung der "Taken"-Filme gehen. Doch das ist ganz und gar nicht der Fall. Vielmehr ist der Film eine mitunter durchaus spannende und überraschend emotionale Charakterstudie mit einem hervorragenden Matt Damon. Der verschwindet voll und ganz in der Rolle des sehr einfach gestrickten, bulligen Amerikaners, der sich in einem fremden Land nicht nur kulturellen Hürden stellen muss.

Es soll an dieser Stelle nicht zu viel über die Wendungen der Geschichte erzählt werden. Ich kann aber so viel sagen: trotz seiner verschlossenen Art, die bisweilen auch etwas schroff wirkt, wächst einem Bill schnell ans Herz. Man wünscht ihm, dass es ihm gelingt, die Wahrheit herauszufinden und vielleicht auch richtig glücklich zu werden. Was dann aber passiert, verfügt gerade auch angesichts der ansonsten eher unaufgeregten Inszenierung über eine unerwartete emotionale Wucht, die bis zum Ende anhält. Das verleiht dem Film auch eine sehr nachhaltige Wirkung, da man über den letzten Akt und seine Folgen sehr lange und intensiv nachdenken kann.

"Stillwater" ist ein packendes Drama mit einem großartigen Cast – neben Matt Damon können auch Abigail Breslin und die aus der französischen Serie "Call my Agent" bekannte Camille Cottin auf ganzer Linie überzeugen – und einer Dramaturgie, die spannend und bewegend zugleich ist. Ein wirklich toller Film, der so viel mehr ist, als es der Trailer verspricht. Absolut sehenswert!

Ein Artikel von Sebastian Betzold