Nachdem Danny Boyle die Menschheit 2002 in "28 Days later" durch eine mörderische Seuche an den Rand der Ausrottung gebracht hatte, gönnte er den Zuschauern mit dem märchenhaften "Millions" eine kleine Verschnaufpause. Doch die ist es jetzt vorbei.
Denn in Boyles neuestem Werk "Sunshine" müssen die Menschen erneut den aussichtslosen Kampf um den Erhalt ihrer Gattung aufnehmen. Die Gefahr geht in diesem Fall allerdings nicht von einem durch Menschenhand gezüchteten Virus aus. Hier ist es die kurz vor dem Verlöschen stehende Sonne, die den Fortbestand der Menschheit gefährdet. Darum wird ein Team aus internationalen Spezialisten mit einem Raumschiff in Richtung Sonne geschickt, um den Energieball mit Hilfe einer riesigen Sprengladung wieder anzufeuern. Dies ist die letzte Chance, nachdem bereits einige Jahre zuvor eine Crew bei der gleichen Mission versagt hat. Doch auch für die acht Männer und Frauen auf der IKARUS II wird die Mission von Tag zu Tag gefährlicher. Zunächst bricht der Funkkontakt zur Erde viel früher ab, als erwartet. Als dann noch ein Signal der verschollen geglaubten IKARUS I empfangen wird, nehmen die Ereignisse eine schicksalhafte Wendung.
Durch ein fehlerhaftes Manöver geht nicht nur ein wichtiger Teil des Sauerstoffvorrats verloren, auch ein Crewmitglied findet in den Weiten des Alls seine letzte Ruhestätte. Um zu Überleben und die Mission erfolgreich zu Ende zu bringen, muss jetzt um jeden Preis die IKARUS I gefunden werden. Doch dort lauert schon die eigentliche Gefahr...
Zugegeben: die Story von "Sunshine" mutet stark wie ein Mix aus klassischen und modernen Sci-Fi Filmen wie "2001", "Event Horizon" oder Steven Soderberghs "Solaris" an. Doch auch wenn ihm das inhaltlich nicht gelungen ist, so hat Boyle visuell doch eine ganz eigene Sprache gefunden. Diese versteht er durch den geschickten Einsatz eines Genre-untypischen Soundtracks perfekt zu intensivieren. So wird dem Zuschauer eine meisterhafte, einnehmende Bildgewalt geboten, mit der die Geschichte allerdings nicht ganz mithalten kann. Gerade die Wandlung vom stillen, intelligenten Sci-Fi Drama zum brutalen Horror-Thriller im letzten Drittel könnte vielen Zuschauern sauer aufstoßen. Denn durch die Vermischung zu vieler Stilelemente hat Boyle ein oberflächlich betrachtet unharmonisches Gesamtwerk geschaffen, dass keine der anvisierten Zielgruppen wirklich zufrieden stellen kann.
Doch ein Blick unter die Oberfläche zeigt, dass "Sunshine" neben seiner visuellen Umsetzung noch zahlreiche weitere Stärken hat, die den Film zu einem aussergewöhnlichen Genre-Vertreter machen. Das fängt bei dem erstklassigen Darsteller-Ensemble, angeführt von einem wie immer überzeugenden Cillian Murphy, an. Boyle hat hier ein extrem gutes Händchen bewiesen. Die an sich eher ungewöhnliche Entscheidung, den bislang meist auf komische Rollen abonnierten Chris Evans mit an Bord zu holen, dürfte sich dabei als größter Glücksgriff erwiesen haben. Der aus Filmen wie "Fantastic Four" bekannte Evans schafft es als hitzköpfiger Pilot überzeugend, gegen sein bisheriges Image anzuspielen. Murphy, der mit Boyle schon in "28 Days later" zusammen gearbeitet hat, dagegen gibt den Anti-Helden mit einer stillen Eleganz, die mit der zurückhaltenden Performance von der sträflicherweise noch viel zu unbekannten Rose Byrne perfekt harmoniert. Den übrigen Darstellern wird etwas weniger Raum gegeben, ihre schauspielerischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Doch ihnen allen genügt die Zeit, die sie auf der Leinwand zu sehen sind, um ihre Rollen mit genügend Leben zu füllen, damit diese für die Zuschauer zugänglicher sind.
Dass die Darsteller dann auch noch in einer wunderbaren Ausstattung agieren dürfen, unterstützt von erstaunlich wenigen Computer-Effekten, macht diesen Film zu einen echten Genuss. Vorrausgesetzt, es gelingt, sich auf diesen Weltraum-Trip einzulassen. Das machen die anfänglich sehr getragene Inszenierung und der harte Stilbruch gegen Ende nicht wirklich leicht. Und sollte es dann deshalb nicht gelingen, besteht auch die Gefahr, das Ganze als zu langweilig und etwas überambitioniert abzutun. Das aber hat dieser Sci-Fi Thriller für Augen und Hirn nun wirklich nicht verdient. Daher gilt: von den Schwächen der Story abgesehen ist "Sunshine" ein visueller Trip, den Sie sich nicht entgehen lassen sollten.
Originaltitel: Sunshine
Regie: Danny Boyle
Länge: ca. 107 Min.
FSK: ab 12 Jahren
07. – 13.06.2007
Turmpalast
Englische Originalversion
14.00
Ein Artikel von Sebastian Betzold