Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Originaltitel: | The Visit |
Genre: | Mystery, Horror |
Regie: | M. Night Shyamalan |
Kinostart: | 24.09.2015 |
Produktionsland: | USA 2015 |
Laufzeit: | ca. 94 Min. |
FSK: | ab 12 Jahren |
Webseite: | www.thevisit-film.de/ |
Eigentlich freuen sich Becca (Olivia DeJonge) und ihr kleiner Bruder Tyler (Ed Oxenbould) darauf, endlich ihre Großeltern Nana (Deanna Dunagan) und Pop Pop (Peter McRobbie) kennen zu lernen. Bislang hat ihre Mutter (Kathryn Hahn) kaum über die zwei gesprochen und hat seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr zu ihren Eltern. Doch jetzt hat sich die alleinerziehende Mutter endlich mal einen Urlaub mit ihrer neuen Flamme verdient – die perfekte Gelegenheit, um die Kinder zu den Großeltern aufs Land zu schicken. Becca kommt das sehr gelegen, will sie doch diese Familienzusammenführung und die Reise in die Vergangenheit ihrer Mutter mit der Kamera festhalten und so an ihrer großen Leidenschaft, dem Filmemachen, arbeiten. Und es beginnt auch alles so, wie sie es sich vorgestellt hat: ihre Großeltern sind zwei liebe alte Menschen, die in einem idyllischen Häuschen wohnen. Das ihr Bruder wie immer nervt und es hier keinen Fernseher und keinen Handyempfang gibt, lässt sich da verschmerzen. Doch dann beginnen Nana und Pop Pop immer merkwürdigere Verhaltensweisen an den Tag zu legen und der Urlaub auf dem Land verwandelt sich in einen echten Alptraum…
"The Visit" kann mit Fug und Recht als das Comeback von M. Night Shyamalan bezeichnet werden. Zwar kommt dieser Found-Footage-Mystery-Grusler nicht an "The sixth Sense" oder "Unbreakable" heran, ist aber mit deutlich mehr Liebe und Leidenschaft inszeniert, als die seelenlosen Flops "After Earth" und "Die Legende von Aang". Nach diesen künstlerischen wie kommerziellen Flops hat sich Shyamalan für seinen neuen Film völlig von der Maschinerie großer Studios losgesagt und hat den 5 Millionen Dollar teuren Streifen komplett selbstfinanziert. Und das ist dem Film dann auch deutlich anzumerken – sowohl in positiver, wie auch in negativer Hinsicht.
"The Visit" beschreitet eigentlich keine neuen Wege. Gerade der Beginn ist ein einziges Found-Footage-Klischee mit zahlreichen Szenen voller (vermeintlicher) Belanglosigkeiten. Doch es gibt zwei Aspekte der Inszenierung, die den Film ein klein wenig von anderen Vertretern des Genres abhebt. Da wäre zum einen die Tatsache, dass Shyamalan das Ganze mit einem leichten Augenzwinkern inszeniert hat. Immer wieder gibt es einige sehr humorvolle Szenen, die einen effektiven Kontrast zu den gelungenen Gruselelementen bieten. Es ist klar, dass man dieses Werk nicht allzu ernst nehmen sollte, wodurch sich "The Visit" schon angenehm von der übertriebenen Ernsthaftigkeit früherer Shyamalan-Filme unterscheidet. Der zweite Aspekt ist wiederum typisch für den Filmemacher: auch "The Visit" hat wieder eine der berühmten Wendungen zu bieten. Diese wird zwar im Nachhinein betrachtet früh eindeutig vorbereitet. Dennoch sieht man sie einfach nicht kommen. Diese Wendung ist großartig und wirkt sich extrem positiv auf den Gesamteindruck des Films aus.
Wenn dieser durchgängig positiv bleiben soll, sollte man etwa drei Minuten vor dem Abspann das Kino verlassen. Es gibt eine Szene, die den perfekten Schlusspunkt darstellt. Doch aus irgendeinem unerfindlichen Grund hat sich Shyamalan dazu entschlossen, noch einen Epilog anzuhängen, der einfach nur grausam kitschig und völlig unnötig ist. Die Freude über die wieder einmal sehr gelungene Überraschung, die der Filmemacher seinem Publikum geboten hat, geht in diesen Minuten fast völlig flöten. Trotzdem: "The Visit" ruft in vielen Momenten auf sehr angenehme Weise zurück, warum M. Night Shyamalan einmal als das neue Wunderkind Hollywoods gehandelt wurde, bevor er zur Pointe eines einzigen schlechten Witzes wurde, den seine letzten Filme darstellten. Schon mit der TV-Serie "Wayward Pines", die er produziert und deren Pilotfilm er auch inszeniert hat, konnte er wieder viel Boden gut machen. Diesen Eindruck kann er mit "The Visit" trotz des abgenutzen Found Footage Stils und des grausam schlechten Epilogs durchaus bestätigen.
Wer also Gruselfilme der sehr harmlosen Art mag, Found Footage Filme liebt und den frühen M. Night Shyamalan für seine überraschenden Wendungen bewundert hat, der sollte sich unbedingt mit Becca und Tyler zu den Großeltern aufs Land fahren. Es lohnt sich! Sehenswert!
Ein Artikel von Sebastian Betzold