Seit Max von der Grüns Jugendroman "Vorstadtkrokodile" im Jahr 1977 veröffentlicht worden ist, gehört das Buch zur absoluten Pflichtlektüre für alle jugendlichen Leser. Die gelungene Verfilmung des WDR trug erheblich dazu bei, dass die "Vorstadtkrokodile" gerade für die damalige Generation absoluter Kult geworden ist. Jetzt hat Regisseur Christian Ditter ("Französisch für Anfänger") den Roman für die Kinoleinwand adaptiert und so die perfekte Grundlage dafür geschaffen, dass eine ganz neue Generation die spannende und unterhaltsame Geschichte kennen und lieben lernt.
Hannes (Nick Romeo Reimann) wünscht sich nichts sehnsüchtiger, als Mitglied bei den "Vorstadtkrokodilen" zu werden. Doch die Mutprobe, die ihm den beitritt zur "coolsten Jugendbande der Welt" sichern würde, bringt den Jungen in akute Lebensgefahr. Zum Glück wird er von Kai (Fabian Halbig) beobachtet, der in letzter Sekunde die rettende Feuerwehr rufen kann. Kai, der seit einem Unfall an den Rollstuhl gefesselt ist, hofft, durch seine Rettung auch ein "Vorstadtkrokodil" und somit so etwas wie ein normaler Junge werden kann. Doch bis auf Hannes stößt er mit seinem Wunsch bei der Bande auf wenig Gegenliebe. Erst als er wichtige Hinweise für die Aufklärung einer Reihe von Einbrüchen, die auch Hannes alleinerziehende Mutter (Nora Tschirner) treffen, liefern kann, wird er für die Krokodile interessant. Mit Kais Hilfe hoffen die Kinder, der Einbrecherbande das Handwerk legen zu können. Das erweist sich erst als großes Problem, als sich herausstellt, dass einer der Krokodile den Einbrechern näher steht, als ihm lieb ist...
Zwei Dinge fallen bei der Neuverfilmung des Romans besonders positiv ins Gewicht. Zum einen beweist Christian Ditter, wie schon bei "Französisch für Anfänger", sein Gespür für sympathische Figuren, die irgendwie echt und greifbar wirken. Diese integriert er in eine Szenerie, die sich angenehm wenig der jungen Zielgruppe anbiedert, sondern eher ein zeitloses Feeling ausstrahlt. Was leicht zu einem schal schmeckenden Ableger der "Wilden Kerle" hätte ausarten können, ist vielmehr zu einem wirklich guten Jugendfilm geworden, an dem auch Erwachsene und, wie schon bei der TV-Verfilmung, auch spätere Generationen Spaß haben können. Und da wären wir auch gleich bei dem zweiten positiven Aspekt: Ditter lässt deutlich seinen Respekt vor der ersten Verfilmung spüren, indem er etwa Martin Semmelrogge, den Bösewicht aus dem 77er Film, einen Gastauftritt absolvieren lässt, oder indem er eine Szene mit der Titelmusik der TV-Fassung untermalt. So fällt es auch älteren Zuschauern, die mit dem TV-Film aufgewachsen sind, extrem leicht, sich mit der neuen Version der Geschichte anzufreunden.
Bei der Wahl der Darsteller haben Ditter und sein Team ebenfalls ein gutes Händchen bewiesen. Nick Romeo Reimann, den ich für seine Leistung in den "Wilde Kerle"-Filmen noch gescholten habe, liefert hier eine wirklich überzeugende und vor allem wenig aufgesetzte Leistung ab. Fabian Halbig, eigentlich Schlagzeuger der "Killerpilze", überzeugt in seinem Kinodebüt ebenso, wie auch die übrigen Jungdarsteller. Die müssen sich hinter den erwachsenen Profis, wie der wie immer charmanten Nora Tschirner oder "Fanta4"-Mitglied Smudo, keinesfalls verstecken.
Natürlich gibt es auch einige kleinere Punktabzüge. So fällt der ein oder andere Gag arg platt aus und die große Verfolgungsjagd, in der Kai mit seinen Rollstuhl Dank eines Raketenantriebs durch die Fußgängerzone rast, ist etwas zu überzogen, um in das Gesamtbild zu passen. Doch da gerade junge Zuschauer an dieser Szene mit Sicherheit viel Spaß haben werden, kann über derartige kleine Schwachpunkte wohlwollend hinweg gesehen werden. Denn unterm Strich ist Christian Ditter mit "Vorstadtkrokodile" ein unterhaltsamer Film über Freundschaft, Courage und die Überwindung von Vorurteilen geworden, die nicht ganz so deutlich wie die Romanvorlage oder die TV-Version diese Themen mit dem pädagogischen Zeigefinger angeht. Ein schöner Film für Kinder und Jugendliche ab 8 Jahren, an dem aber auch die begleitenden Erwachsenen durchaus Spaß haben können. Sehenswert!
Regie: Christian Ditter
Länge: ca. 98 Min.
FSK: ab 6 Jahren