Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Originaltitel: | Gözetleme Kulesi |
Genre: | Drama |
Regie: | Pelin Esmer |
Kinostart: | 17.04.2014 |
Produktionsland: | Türkei/Frankreich/Deutschland 2012 |
Laufzeit: | ca. 100 Min. |
FSK: | ab 12 Jahren |
Webseite: | artfilm.af-media.eu/art-films/watcht |
Das kleine Dorf Tosya liegt in einer abgeschiedenen Bergregion Anatoliens. Hier verschlägt es eigentlich Niemanden freiwillig hin. Und dennoch haben Nihat (Olgun Simsek) und Seher (Nilay Erdonmez) unabhängig voneinander ausgerechnet diesen verlassenen Ort ausgesucht, um ihren bisherigen Leben zu entfliehen. Während Seher als Reisebegleiterin für ein Busunternehmen arbeitet und im kleinen Busbahnhof von Tosya wohnen darf, hat Nihat einen Job als Brandwächter angenommen. Von dem hochgelegenen Wachturm aus soll er nach Waldbränden Ausschau halten. Lediglich der Funkkontakt mit seinen Kollegen und vereinzelte Besuche in Tosya verhindern die völlige Einsamkeit. Wie Seher trägt auch Nihat ein Geheimnis mit sich herum, das ihn hierher gebracht hat. Und es sind auch die Geheimnisse, die diese beiden Menschen zusammenführen. Denn als sie mit dem Rücken zur Wand steht, bleibt der jungen Seher nur noch der gebrochene Wächter, um einen Neuanfang zu schaffen, ohne sich eine unaussprechliche Schuld aufladen zu müssen…
Mit "Watchtower" hat Regisseurin Pelin Esmer ein ruhiges, dabei aber auch sehr intensives Drama geschaffen, das seine Geschichte mit einer intensiven Bildsprache und von zwei starken Hauptdarstellern getragen erzählt. Oftmals lässt Esmer die Bilder oder die Blicke ihrer Figuren sprechen und verzichtet dabei auf ausschweifende, alles erklärende Dialoge. Dabei ist die Geschichte in ihrer Schlichtheit aber auch so gezeichnet, dass sie gar nicht vieler Worte bedarf. Dem Zuschauer wird schnell klar, welche Geheimnisse die Protagonisten mit sich herum tragen. Doch auch, wenn der dramaturgische Verlauf sehr vorhersehbar ist und ganz große Überraschungen ausbleiben, heißt das nicht, dass die Geschichte nicht mitreißend wäre.
Denn genau das Gegenteil ist der Fall. Indem Esmer darauf verzichtet, irgendwelche zusätzlichen Konflikte zu forcieren, kann sich ihre Inszenierung auf das Wesentliche konzentrieren und trotz der sehr ruhigen, getragenen Erzählweise eine ungeheure Stärke aufbauen. Durch die Subtilität, mit der Esmer etwa das Gesellschaftsbild zeichnet, das gerade Seher nach Tosya getrieben hat, kann sich zudem die bedrückende Atmosphäre der Landschaft voll und ganz entfalten. Durch das Zusammenspiel von der intensiven Natürlichkeit des Spiels der beiden Hauptdarsteller, der zurückhaltenden Inszenierung und der einnehmenden Bildsprache entsteht genau das, was "Watchtower" so bewegend und kraftvoll macht.
Wer anspruchsvolle Arthaus-Dramen und starkes Schauspielerkino schätzt, wer nicht viel Tempo und ausschweifende Dialoge braucht, um von einer Geschichte gefesselt zu werden und wer sich gern von einer mitreißenden Bildsprache gefangen nehmen lässt, dem kann dieses berührende Porträt zweier Menschen auf der Suche nach einem Neuanfang wärmstens ans Herz gelegt werden. Sehenswert!
Ein Artikel von Sebastian Betzold