Im Sommer 1988 geht für die Zwillinge Isabel (Luise Heyer) und Doreen (Friederike Becht) aus Ostdeutschland ein Traum in Erfüllung: zum ersten Mal in ihrem Leben dürfen sie ins sozialistische Ausland reisen, um in einem deutsch-ungarischen Pionierlager ihre Ruderfähigkeiten zu trainieren. Doch der Weg dorthin gestaltet sich als etwas schwieriger, als geplant, als die Schwestern den Bus verpassen, der sie in das Lager bringen soll. Und so müssen die Mädchen notgedrungen per Anhalter fahren, wobei sie Arne (Franz Dinda) und Nico (Volker Bruch) aus Hamburg kennen lernen. Besonders Doreen ist von der offenen Art der Jungs, der Musik aus dem Westen und ganz besonders von Arne angetan. Trotz strengem Ausgehverbot entwickelt sich zwischen den Beiden eine Romanze, die weit über einen Urlaubsflirt hinaus geht. Doch als Arne den Zwillingen eine Flucht nach Westdeutschland vorschlägt, wird nicht nur die junge Liebe, sondern auch die Beziehung zwischen den Schwestern auf eine harte Probe gestellt...
"Westwind" basiert auf der wahren Geschichte der Schwestern Susann und Doreen Schimk, wobei Susann Schimk auch als Autorin an der finalen Drehbuchfassung beteiligt gewesen ist. Dadurch entsteht ein hohes Maß an Authentizität, was die Geschichte des Films umso interessanter und spannender macht. Gedreht wurde an Originalschauplätzen, so auch in dem echten Pionierlager in Ungarn. Obwohl historische und dramaturgische Genauigkeit in vielen Aspekten der Inszenierung auszumachen sind, so steht eine sehr viel universellere Geschichte im eigentlichen Mittelpunkt des Films.
Regisseur Robert Thalheim ("Am Ende kommen Touristen") baut eher dezent die Elemente in seine Inszenierung ein, die auf das Leben im geteilten Deutschland und eine Flucht aus dem Osten in den Westen hinweisen. Momente wie der, in dem die Mädchen das erste Mal Coca Cola trinken, zu Depeche Mode tanzen oder sich Befehlen ihres Trainers Balisch (Hans Uwe Bauer) widersetzen, sind mit einer angenehmen Zurückhaltung in Szene gesetzt, wodurch die Beziehung zwischen den zweieiigen Zwillingsschwestern und die Liebe zwischen Doreen und Arne voll und ganz in den Mittelpunkt des Geschehens treten können.
Auch wenn dem Film hier und da ein leichter Fernsehfilm-Charakter anhaftet, gibt es dennoch zwei Elemente, die einen Kinobesuch für Liebhaber des deutschen Films durchaus rechtfertigen: da wäre zum Einen das sehr sympathische und authentisch anmutende Spiel von Luise Heyer und Friederike Becht, durch das es dem Zuschauer sehr leicht gemacht wird, eine emotionale Bindung zu den Schwestern aufzubauen, was sich wiederum im letzten Drittel des Films auszahlt. Zum Anderen sind es die einnehmenden Bilder der Originalschauplätze, die auch Dank der guten Ausstattung eine echte Zeitreise in die späten 80er Jahre erlauben.
"Westwind" ist ein kleiner, in all seiner dezenten Art sehr effektiver Film, der sowohl als Romanze, als außergewöhnliche Geschwisterbeziehung, als auch als zeitgeschichtliches Ost-West-Drama bestens funktioniert. Wer Programmkinokost aus Deutschland zu schätzen weiß, dem kann Thalheims neuestes Drama durchaus ans Herz gelegt werden. Sehenswert!