13.11.2025 - 03.05.2026 - Liebieghaus Skulpturensammlung
Über die Ausstellung:
Mit der Kunst August Gauls beginnt in Deutschland der Aufbruch in die moderne Bildhauerei. Der Bildhauer, 1869 im Spessart geboren, entzieht das Tiermotiv der tradierten Symbolik und entwickelt eine eigenständige, reduzierte Formensprache, die das gesamte 20. Jahrhundert nachhaltig prägen sollte. Seine Skulpturen – von majestätischen Löwen bis hin zu Menschenaffen – verbinden anatomische Präzision mit einer bemerkenswerten Ruhe und Klarheit. Doch Gaul richtet seinen Blick ebenso auf jene Tiere, die zuvor kaum Eingang in die Kunst gefunden hatten: Esel, Gänse oder Enten, denen er mit feinem Gespür für Charakter und Haltung ein überraschend modernes Gewicht verleiht.
Die Ausstellung im Liebieghaus zeigt Gauls Werk im Spannungsfeld von Kunst und Wissenschaft und nimmt gesellschaftlich relevante Fragen seiner Zeit in den Blick. Der rote Faden des Rundgangs: die Nähe zwischen Mensch und Tier. Dieses Verhältnis – oft romantisiert, politisch aufgeladen oder wissenschaftlich seziert – wird bei Gaul zu einer ästhetischen wie intellektuellen Erkundung. Seine Arbeiten orientieren sich an den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen eines Charles Darwin ebenso wie an frühen tierpsychologischen Studien. Der Künstler beobachtete mit nahezu ethnografischer Genauigkeit, ohne seine Motive zu idealisieren.
Ein besonderer Höhepunkt der Schau ist der überlebensgroße Adler im Museumsgarten, einst für das Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal in Berlin geschaffen. Doch statt einer heroischen Pose zeigt Gaul den Vogel im Landeanflug auf sein Nest – eine radikale Abkehr von imperialer Symbolik. Hier triumphiert nicht politisches Pathos, sondern die Dynamik des natürlichen Moments. Gaul unterläuft bewusst die Erwartungshaltung seines zeitgenössischen Publikums und formuliert so einen stillen, aber deutlichen Kommentar auf die Selbstinszenierung des Kaiserreichs.
Zum ersten Mal wird zudem die bedeutende Frankfurter Privatsammlung von Carlo Giersch nahezu vollständig präsentiert, ergänzt durch Leihgaben aus Berlin, Hamburg, Hanau und Leipzig. Die Einbindung fast aller Bereiche des Liebieghauses schafft einen Dialog zwischen Gauls Werk und der hauseigenen Sammlung, der sowohl kunsthistorisch als auch atmosphärisch überzeugt. Die Skulpturen treten in Resonanz miteinander, öffnen neue Perspektiven und zeigen, wie stark Gauls Arbeiten in eine größere Tradition eingebettet sind – und wie innovativ sie zugleich wirken.
So bietet die Ausstellung nicht nur einen umfassenden Blick auf das Œuvre eines der wichtigsten Bildhauer der deutschen Moderne, sondern auch eine Einladung, das Verhältnis zwischen Mensch, Tier und Kunst neu zu denken.





