Es ist erst wenige Minuten nach elf, doch auf dem Frankfurter Mainfest klirren bereits Gläser. In Ihrer mobilen Weinbar, steht Lena Roie und sagt: „Aus Tradition laut. Für den Wein klar. Für den Mittelstand mutig". Es ist das Motto, mit dem sich die 31‑Jährige – seit 2022 amtierende Frankfurter Weinkönigin – nun für das Amtsjahr 2025/26 um die bedeutend ältere, prestigeträchtige Krone der Rheingauer Weinkönigin bewirbt.
Vom Schaustellerwagen ins sensorische Labor
Roies Weg beginnt alles andere als klassisch. Aufgewachsen in einer Schaustellerfamilie auf Rummelplätzen im Rhein‑Main‑Gebiet zwischen Lichtern und Zuckerwatte, lernte sie früh, dass sich Kultur und Kommerz nicht ausschließen müssen. Es folgte die Hotelfachausbildung, Stationen im internationalen Event‑ und Hotelmanagement und der Schritt in die Selbstständigkeit: „Wine in the City FFM“ heißt Roies 2019 gegründetes Unternehmen. Mobile Weinbar und urbane Festivals, die Rheingauer Rebsorten in Frankfurt, Wiesbaden oder Mainz zu Pop‑Up‑Bühnen machen – modern inszeniert.
Fachwissen als Haltung
Dass hinter dem Marketing Talent steckt, zeigt Roie durch stille, wohlkalkulierte Arbeit: WSET‑Zertifizierung Level 1 ist in der Tasche, Level 2 folgte im Juni 2025; parallel läuft die intensive Vorbereitung auf die Prüfung zur Wein‑ und Genussexpertin. Statt Tradition einfach „neu“ zu labeln, will Roie die Erzählung verändern. „Wein ist Begegnung, Kultur, Emotion“, sagt sie, „und Emotion braucht Substanz.“
Eine Kandidatur mit politischer Note
Substanz zeigt die junge Unternehmerin auch in ihrer Agenda. Wohl keine Weinkönigin hat jemals so dezidiert den Begriff Mittelstand in den Mittelpunkt einer Kandidatur gestellt. Für Roie ist das kein Wagnis, sondern Rückkehr zu den Wurzeln: „Ob im Weinberg oder auf dem Volksfest – es sind dieselben strukturellen Herausforderungen: steigende Kosten, Fachkräftemangel, Regulatorik.“ Roie spricht von „Brücken bauen“: Stadt und Land, Tradition und Moderne, Kultur und Wirtschaft sollen nicht länger gegeneinander ausgespielt werden. Im Gespräch fällt häufig das Wort „Verantwortung“ – ein Echo ihrer Schaustellerkindheit, in der Scheitern kein Tabu, sondern Teil des Alltags war. „Ich komme aus einer Welt, in der man anpackt, statt zu reden“, sagt sie und man glaubt es sofort.
Die Krone als Kompass, nicht als Krönung
Doch worin liegt der Reiz, von der urbanen Bühne Frankfurts ins historisch verortete Amt der Rheingauer Weinkönigin zu wechseln? „Die Frankfurter Krone hat mir Sichtbarkeit gegeben“, räumt Roie ein. „Aber die Rheingauer Krone gibt der Botschaft Gewicht und wäre für mich ein Kompass für das nächste Kapitel“.“ Historisch betrachtet fungiert die Rheingauer Weinkönigin als kulturelle Klammer zwischen Winzerschaft, Politik und Öffentlichkeit. Wem dieser Dreiklang gelingt, darf – wie zuletzt - Katharina Staab oder Eva Lanzerath – sogar zur Deutschen Weinkönigin avancieren.
Zwischen Riesling und Realismus
In Zeiten, in denen die Weinkultur zunehmend Eventformate und Algorithmen untergeordnet wird, wirkt Roies Ansatz ungewohnt geerdet. Vielleicht, weil sie weiß, dass man Riesling zwar entkorken, aber nicht neu erfinden kann. Vielleicht auch, weil sie das Rampenlicht kennt und doch begriffen hat, dass jede Bühne nur so stark ist wie das Fundament, auf dem sie steht.
Die Entscheidung über die Rheingauer Weinkrone fällt auf der feierlichen Wahlgala “Rheingau Royal” am 13. September 2025 im Laiendormitorium des Kloster Eberbach. Bis dahin wird Lena Roie quer durch die Region fahren und Weine verkosten. Sie bleibt, wie sie sagt, „aus Tradition laut“, aber sie bleibt laut für eine Sache: den Wein. Und für all jene, die ihn Tag für Tag möglich machen.












