Sonderausstellung vom 29. September 2023 bis 01. Dezember 2024
Auf der Parkbank in der Mittagspause, auf dem gepflasterten Fußweg oder beim Blick auf den Grünstreifen im Verkehrsstau – sie sind immer da: Frankfurts kleine Helfer. Oft unbemerkt und unbeachtet von Menschenaugen oder gar mit einer flüchtigen Handbewegung verjagt. Die Rede ist von „Stadtinsekten“ wie Hainschwebfliege (Episyrphus balteatus), Schwarze Wegameise (Lasius niger) oder Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens). Sie alle übernehmen in unserer Stadt wichtige Funktionen als Bestäuber, natürliche Schädlingsbekämpfer, Aas-Beseitiger oder Nahrung für andere Tiere. Die neue Sonderausstellung „Stadtinsekten – Frankfurts kleine Helfer“ lädt dazu ein, diese wertvolle Insektenwelt vor unserer Haustür näher kennen und schätzen zu lernen – gemeinsam mit den Wissenschaftler*innen der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und des Projekts „SLInBio – Städtische Lebensstile und die Inwertsetzung von Biodiversität“.
Am Mittagstisch im Garten mit Schnitzel und Grüner Soße strapazieren Wespen häufig unsere Geduld. Doch die gelb-schwarzen Insekten bedienen sich nicht nur an menschlichen Speisen, sie fressen auch die Larven von Fliegen, Mücken und Bremsen, sie vertilgen als „Gesundheitspolizisten“ unter den Insekten andere tote Tiere und bestäuben Blüten – im Gegensatz zu Bienen – auch bei kühlem Wetter, Wind und Regen. Anschaulich und mit einem Augenzwinkern ist dies in der neuen Sonderausstellung „Stadtinsekten – Frankfurts kleine Helfer“ im zweiten Stock des Senckenberg Naturmuseums Frankfurt zu sehen: Zwei Teller am Schrebergartenzaun bieten den Wespen ein Festmahl – einer mit dem erwähnten Frankfurter Leibgericht, der andere mit Blüten, Insekten und einer toten Maus.
Die Gemeine Wespe (Vespula vulgaris) und die Deutsche Wespe (Vespula germanica) sind natürlich nicht die einzigen Insekten in der Mainmetropole. „In Frankfurt und Umgebung kommen erstaunlich viele Insekten vor und sie erfüllen Aufgaben, die auch für uns Menschen nützlich sind“, erläutert Dr. Brigitte Franzen, Direktorin des Senckenberg Naturmuseums Frankfurt und fährt fort: „Wir möchten mit der Ausstellung ein Gefühl der Wertschätzung für diese kleinen Helfer und ihre Leistungen wecken, die zu oft unbeachtet bleiben.“ Zu den Highlights der Ausstellung zählt ein vergrößertes Modell einer Hainschwebfliege (Episyrphus balteatus). Die Larve des – optisch einer Wespe ähnelnden – Insekts frisst zur Freude von Gartenbesitzer*innen Blattläuse. Ein weiteres Modell zeigt dies in eindrucksvoller Großaufnahme.
In Städten finden einige Insektengruppen auf engem Raum ein Mosaik aus ganz unterschiedlichen Lebensräumen. Diese Habitatstrukturen mitsamt ihrer Bewohner werden in der Ausstellung vorgestellt: Brachflächen, ursprüngliche Waldstücke, wie der Frankfurter Biegwald, städtische Parks und botanische Gärten, Streuobstwiesen, private Gärten aber auch die Innenstadt bieten unterschiedlichsten Insekten einen Lebensraum. „Um einen Überblick über die hier lebenden Insekten zu bekommen, waren die Ergebnisse des Projekts „Biotopkartierung“, das im Auftrag des Umweltamtes der Stadt Frankfurt am Main durch das Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt erfolgt ungeheuer hilfreich,“ sagt Kurator der Ausstellung Maximilian Bugert und erläutert weiter: „Seit 1985 wurden hier Wildnisflächen in der Mainmetropole untersucht. Viele der dabei gefundenen Arten, zeigen wir in unserer Schau.“
Dazu gehört auch die Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens): wunderschön, wenn sie ihre hellblauen Flügel öffnet, aber ansonsten fast unsichtbar, da hervorragend getarnt. Die in ganz Europa unter Schutz stehende Art ist auf Frankfurts Brachflächen regelmäßig anzutreffen. Das „Chamäleon“ unter den Insekten kann die Körperfarbe in ein bis zwei Tagen der Umgebung anpassen. „Nicht genutzte Brachflächen werden in der Stadt in kurzer Zeit von der Natur erobert. Sie verändern sich aber auch schnell, so dass verschiedene Pflanzen und Insekten dort einen Lebensraum finden. Erst gibt es dort offene Böden, die zum Beispiel einen Lebensraum für erdnistende Bienen oder die Ödlandschrecke bieten, dann wachsen niedrige Stauden und Gräser bis Gehölze und Bäume hinzukommen, die dann meistens wieder gerodet werden“, erklärt Bugert.
Langlebigere Lebensräume in Frankfurt sind Waldgebiete, wie der Biegwald – ein Stück „alter Wildnis“ zwischen Bockenheim und Rödelheim. Dort krabbelt beispielsweise der Heldbock (Cerambyx cerdo) auf ursprünglichen, dickstämmigen Eichen. Er gilt deshalb als „Urwaldrelikt“ und gehört – mit einer Größe von einem kleinen Finger – zu den größten Käfern Europas. Er ist vom Aussterben bedroht und gilt als streng geschützt. In der Ausstellung können Besuchende dem Heldbock helfen zu überleben, indem sie ihm „Trittsteine“ anbieten, um von einem Lebensraum zum anderen zu gelangen.
Was Insekten für uns alle leisten, wird am Beispiel der Streuobstwiesen klar. Ohne Bestäuber sähe die Qualität der Apfelernte anders aus. Frankfurter Kulturgüter wie der Apfelwein oder die Grüne Soße wären seltene, kostspielige Güter. Insgesamt neun Symbole erinnern in der Ausstellung immer wieder daran, welche Systemleistungen Insekten kostenlos für uns bereitstellen: vom Bestäuben, über das Recyceln von Materialien, als Futter für andere Tiere bis zur Erholung. Auf der Parkbank in der Ausstellung können Besuchende zum Beispiel die Schönheit und Vielfalt der sechsbeinigen Helfer ganz bewusst genießen und dabei entspannen: Über einen Beamer werden Bilder von Frankfurter Stadtinsekten projiziert. Auch eigene Fotos können dafür per E-Mail an stadtinsekten@senckenberg.de eingeschick werden; sie werden regelmäßig in der Ausstellung ergänzt.
Bei aller Vielfalt sind die Stadtinsekten aber auch einigen Gefahren ausgesetzt, sei es durch Lichtverschmutzung bei der Straßen- und Gebäudebeleuchtung oder durch mit Pestiziden belastete Baumaterialien, die ins Grundwasser gelangen. „Für die Erhaltung der Insektenvielfalt ist auch die Stadtgesellschaft gefragt“, sagt Prof. Dr. Andreas Mulch, Leiter des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums Frankfurt und Senckenberg-Direktoriumsmitglied und erläutert: „Das Verhalten der Menschen hat direkten Einfluss auf die Vielfalt von Libellen, Schmetterlingen, Bienen und anderen Insekten. Die Forschung des Projekts SLInBio soll helfen, Maßnahmen zu identifizieren, durch die die Insektenvielfalt in der Stadt gefördert werden kann. In der Ausstellung thematisieren wir die Forschung und geben erste Anregungen.“ „Um Insekten zu schützen, braucht es ein breites Bündnis und Wissen, wie wichtig Insekten für uns als Gesellschaft sind. Das loten wir im Forschungsprojekt SLInBio aus“, sagt Projektleiterin Dr. Marion Mehring vom ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung. „Die Ausstellung ist ein zentrales Element unserer Forschungsarbeit, die nach den Auswirkungen städtischer Lebensstile auf die Insektenvielfalt fragt.“
In dem Kooperationsprojekt SLInBio wird unter anderem auch von Senckenberg-Entomolog*innen untersucht, wie es konkret um die Insektenvielfalt in den privaten Gärten Frankfurts steht. Dazu haben sie 16 Hausgärten und Kleingartenparzellen in Frankfurt untersucht. Dort nahmen sie DNA-Proben von Insektenspuren auf Blütenköpfen, Blättern sowie aus dem Wasser um nachzuweisen, welche Insekten dort vorkommen. Die Auswertungen sind noch nicht abgeschlossen, doch die ersten Ergebnisse zeigen bereits, dass die Gärten selbst in Großstädten wie Frankfurt insektenreich sein können.
Wer mithelfen möchte, mehr über die Insektenvielfalt in Hessen herauszufinden, kann über das Projekt „Insekten Hessen“ (https://portal.insekten-hessen.de) eigene Beobachtungen mit dem Mobiltelefon dokumentieren und hochladen. Ein Zähler in der Ausstellung zeigt die aktuellen Zahlen der gemeldeten Insektenarten, der Individuen und der Personen, die mitmachen.
„Stadtinsekten – Frankfurts kleine Helfer“
29. September 2023 bis 01. Dezember 2024
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt
Öffnungszeiten
Mo., Di., Do., Fr. 9:00 – 17:00 Uhr
Mi. 9:00 – 20:00 Uhr
Sa., So., Feiertage 9:00 – 18:00 Uhr
Eintritt
Erwachsene (ab 18 Jahre): 12,00 €
Kinder, Schüler*innen, Jugendliche ab 6 Jahre: 4,50 €
Familie: 2 Erwachsene und bis zu 3 Kinder von 6-17 Jahren: 30,00 €