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Sommerwerft 2020 – Frankfurts erste Veranstaltungen mit 800 Besuchern

23.08.2020 | 13:13 Uhr | Kultur
Sommerwerft 2020 – Frankfurts erste Veranstaltungen mit 800 Besuchern

Aufgrund der stetig steigenden Corona-Infektionen wurden jetzt wieder strengere Regeln erlassen, wodurch Veranstaltungen vorerst wieder nur mit maximal 250 Gästen stattfinden dürfen. Dass es sich lohnt, gemeinschaftlich dafür zu kämpfen, dass die Zahlen wieder runter gehen und die Einschränkungen gelockert werden, hat kürzlich erst die Sommerwerft 2020 eindrucksvoll bewiesen. Ob an der Weseler Werft oder unterwegs in den Stadtteilen und der Region – das Team von protagon e.V. hat durch diese etwas andere Art der Sommerwerft erlebbar gemacht, wie gesellschaftsrelevant Theater und Darstellende Kunst sind. Dass die Sommerwerft überhaupt mit jeweils bis zu 800 Besuchern stattfinden konnte, ist auch dem Hygiene- und Infesktionsschutzkonzeptes von AES Konzept zu verdanken, das bewiesen hat: Auch größere Veranstaltungen sind möglich, ohne dass sie zu potentiellen Super-Spreader-Events ausarten. 

Es kann davon ausgegangen werden, dass die Sommerwerft 2020, die vom 24. Juli bis 9. August stattfand, wohl die größte Kulturveranstaltung der Rhein-Main Region in diesem Pandemie-Sommer gewesen ist. protagon e.V., Partner und Förderer haben für ihr Engagement, ihre Kreativität und ihre Aufführungen Lob und Dank geerntet,  doch die Einnahmen fielen durch die Pandemie fatal aus. 

Dennoch muss man das Fazit zur limitierten Edition und der mobilen Version der Sommerwerft-Angebote alleine aus kultureller Sicht positiv werten: 15.000 Besucher kamen an elf Tagen ans östlichen Mainufer, davon jeweils 500 bis 800 Besucher zeitgleich bei funktionierenden und konsequent eingehaltenen Infektionsschutz- und Hygienemaßnahmen. Bewohner in Frankfurt, Wiesbaden, Hanau, Offenbach und Gießen wurden begeistert für Kulturerlebnisse durch szenische Reisen. Manche Quartiere wurden durch die mobilen Angebote sogar motiviert, selbst Kulturangebote vor Ort unter pandemischen Regeln zu gestalten. 

Am Ende stehen für den Verein mehr Kosten als Einnahmen, und das ist natürlich ein Desaster, doch die Sommerwerft hat gezeigt: Theaterkultur im öffentlichen Raum und Konzepte für darstellende Kunst sind real gestaltbar, wenn Ämter und Behörden offen für neue Möglichkeiten sind. Und das ist aufgrund der Tatsache, dass uns Corona noch längere Zeit begleiten wird, von ungeheuer großer Bedeutung. Alle Beteiligten sind bei diesem „Kraftakt“, das Festival unter pandemie-Bedingungen sicher durchführen zu können, über sich hinausgewachsen und haben mit der Umsetzung und dem ausgearbeiteten Konzept von AES Konzept und antagon TheaterAKTtion nun Vorlagen für weitere kulturelle Projekte geschaffen. 

„Wir haben uns in der Verantwortung gesehen, zu zeigen, was darstellende Kunst leisten kann, insbesondere dass Theater als Gesellschaftsrelevant verstanden wird“, erklärt Bernhard Bub, der als künstlerischer Leiter in diesem Jahr im Team gleich zwei Mal Inhalte für Sommerwerften entwickelt und realisiert hat. Er lebt seit 30 Jahren im Theaterkollektiv antagon TheaterAKTion mit lokalen und internationalen Künstlern im Frankfurter Osten. „Wir sind nicht per se wegen der Kunst unterwegs“, führt er weiter aus, „sondern definieren unser Theaterkonzept in unmittelbarer Verbindung und Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Prozessen als Lebens- und Arbeitsgemeinschaft. Es ist seit Beginn Teil des Konzeptes, das sich in dieser Krisensituation auszahlt. Es ist ein Modell, dass eine besondere Position im Genre hat und dem entgegnet, wo (Theater-)Kultur kommerzialisiert und marktorientiert entsteht, akademisiert Konzepte in Richtung Ästhetisierung von Kunst entwickeln will. Denn die Macher*innen der Sommerwerft haben außerhalb institutioneller Einschränkungen und den aktuellen Bedingungen kreative Wege gesucht. Die Stärke aus unserer Sicht, einer freien Theaterszene, ist: mit freierem Denken auch ein freieres Handeln möglich zu machen. Wir haben mit recht wenig geschafft, sehr viel herzustellen.“ 

Dieses kollektive Konzept erlaubte dem Ensemble schon im Vorfeld der Sommerwerft uneingeschränkt weiter Kultur zu produzieren. Darum hat der Verein der Freunde und Förderer Freier Theaterkultur sehr bewusst die Entscheidung getroffen, für diese herausfordernde Zeit Förderanträge für neue, alternative Modelle zu stellen. 

Neben Respekt, Freude und Motivation von Beteiligten, Besucher*innen und der Nachbarschaft gab es eine Handvoll kritische Stimmen, die einen Anspruch auf den öffentlichen Raum als Ruheraum und den freien Blick von der Eigentumswohnung auf dem Main einfordern. Für die Nachbarschaft, und zur Anregung als Diskussion in der Stadt, hat protagon e.V. zusätzlich zu dem jährlichen Informationsbrief für Anwohner nun einen zweiten Brief im Nachgang der Sommerwerft verteilt. So lautet eine Passage: 

„In einer Stadt zu leben bringt Bedingungen mit sich, mit denen jeder offen umgehen muss: Wohnraum versus öffentlicher Raum, Ruhebedürfnis versus gesellschaftliche Kultur. Im Gegensatz zu ländlichen Gegenden, leben wir in der Stadt, teilen mit Vielen begrenzten Raum, den wir zusammen haben. Wir möchten den öffentlichen Raum am Main nutzen und für die Stadtgesellschaft miteinander gestalten. Das ist auch eine sozialgesellschaftliche Initiative, die Vielfalt akzeptiert und Diversität respektiert. ... Es gibt Menschen, die uns als fehl am Platz bezeichnen. Doch wir arbeiten für Kultur in der Stadt, für ein gemeinsames, respektvollen Leben. Einen Antrag auf einstweilige Verfügung samt Gerichtsverhandlung wurde vor dem Amts- und dem Landgericht abgewiesen, da die Auflagen für die Veranstaltung eingehalten wurden und der Richter die Sommerwerft als „sozial relevant“ ansieht. Das bestätigt unsere Arbeit, dass Herzblut, dass viele hier lassen. Zu gehen ist für uns keine Option.“ 

Protagon e.V. möchte eine Diskussion über das Verständnis des öffentlichen Raumes und dessen Nutzung für die städtische Bevölkerung anregen. Parks, Plätze, Straßen und Flussufer in Frankfurt am Main werden zunehmend privatisiert, verwirtschaftlicht oder eingeschränkt. Die gesellschaftliche Entwicklung, von Opernplatz bis Rechtsruck, machen deutlich, dass Bürger enttäuscht sind. Statt zunehmender Spaltung möchte der Kulturverein auf ein Miteinander in der Bevölkerung setzen. Daher ist wichtig, Freiräume für die Gesellschaft zu erhalten und sozialverträglich gestalten zu können. Denn: Wo ist der Platz in der Stadt für das gesellschaftliche Zusammenkommen für alle Menschen? Insbesondere für diejenigen, die weder Garten noch viel Raum haben, aufgrund ihrer setzt der Verein weiterhin für ein Recht auf den öffentlichen Raum und lebendige Kultur. Protagon fühlt sich mit dieser Erfahrung durch die diesjährige Sommerwerft - Theaterkultur am Fluss und Sommerwerft mobil bestätigt, das Räume für Darstellende Kunst sicher herstellbar sind, dass darauf nicht zwangsläufig verzichtet werden muss. 

Was bleibt ist eine Sommerwerft, die online quasi weitergeht. Zurzeit können auf Vimeo noch alle Abende mit Theateraufführungen, Tanzproduktionen und weitere Dokumentationen angeschaut werden. Die Nutzerzahl war während der Sommerwerft gering, steigt jetzt im Nachgang täglich. Wer also möchte, kann die Sommerwerft 2020 online erleben. Unabhängig von Zeit und Ort. 

Und wer mehr Theater und Kultur mit gut funktionierenden Infektionsschutz- und Hygienemaßnahmen erleben möchte, kommt zum 4. Internationalen Frauen-Theater-Festival von protagon e.V. zusammen mit dem Magdalena-Projekt und weiteren Partnern vom 24. bis 27. September 2020: https://iftf-frankfurt.com

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